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Iran droht dem Westen
mit einer Energiekrise

Chamenei: »Angriff brächte Ölversorgung in Gefahr«

Teheran/Brüssel (Reuters/dpa). Kurz vor der Vorlage des neuen westlichen Verhandlunsangebots hat der Iran im Streit über sein Atomprogramm mit der Ölwaffe gedroht.
»Wenn Sie in Bezug auf den Iran einen falschen Schritt tun, wird definitiv der Energiefluss in dieser Region ernsthaft gefährdet«, sagte das geistliche Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei an die Adresse der USA gerichtet. Die Äußerungen trieben den Ölpreis erneut in die Höhe, obwohl US-Außenministerin Condoleezza Rice umgehend abwiegelte.
EU-Chefdiplomat Javier Solana soll der iranischen Staatsführung heute das Angebotspaket der Europäischen Union (EU) präsentieren. Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte zuvor angekündigt, Iran werde die Offerte zwar prüfen. Allerdings werde das Land keinesfalls auf die friedliche Nutzung der Atomenergie verzichten. »Wir sind unseren nationalen Interessen verpflichtet, und wer auch immer sie bedroht, wird die Heftigkeit der Wut dieser Nation erleben«, erklärte Chamenei in einer Rede zum Jahrestag des Tods von Ajatollah Ruhollah Chomeini, dem Gründer der Islamischen Republik. Die USA seien nicht in der Lage, die Energieflüsse im Nahen Osten zu sichern.
Der Iran ist der weltweit viertgrößte Ölexporteur und produziert etwa 3,85 Millionen Barrel Öl am Tag (ein Barrel sind knapp 159 Liter). Bislang hatte die iranische Regierung ausgeschlossen, die Öl-Vorräte des Landes als Druckmittel einzusetzen. Iran kann zudem wegen seiner geografischen Lage eine der Hauptrouten des weltweiten Öll-Schiffsverkehrs kontrollieren, die enge Straße von Hormus. Im Golf hielt der Iran unlängst ein Seemanöver ab.
Analysten werteten dies als Drohung, der Iran könnte die wichtige Öl-Route blockieren, über die nahezu ein Fünftel der weltweiten Energietransporte führt. Rice rief noch am Sonntag dazu auf, den Äußerungen Chameneis nicht zu große Aufmerksamkeit zu schenken. »Ich glaube, wir sollten dem nicht zu viel Gewicht beimessen«, sagte die Ministerin. »Immerhin ist der Iran sehr abhängig von seinen Öl-Einnahmen.«
Investoren reagierten gleichwohl nervös. Bis getsern Nachmittag kletterte der Preis für US-Leichtöl um 1,15 Dollar auf einen Stand von mehr als 73 Dollar. Dr Preis der führenden Nordseesorte Brent stieg um 1,30 Dollar auf 72,33 Dollar.
Eine Lösungsweg aus der sich stetig zuspitzenden Krise versprechen sich Beobachter von dem Angebotspaket, das Deutschland sowie die UN-Vetomächte Großbritannien und Frankreich im Auftrag der EU geschnürt haben. Die USA, China und Russland haben als weitere Veto-Mächte des obersten UN-Gremiums das Paket gebilligt.
Der neue Vorschlag bietet verschiedene Anreize für den Fall, dass das Land seine Urananreicherung aussetzt. Details sind noch nicht veröffentlicht worden; die Diplomaten beschäftigten sich indes mit möglichen Technologie-Angeboten und Sicherheitsgarantien. Die Offerte enthält neben diesen Anreizen aber auch nicht näher genannte Strafmaßnahmen des UN-Sicherheitsrats für den Fall, dass der Iran nicht kooperiert. Nach russischen Angaben wird in dem Angebotspaket kein Militärschlag angedroht.
Ahmadinedschad sagte am Wochenende, das Land beharre auf seinem Recht der Urananreicherung - der Westen fordert aber im Kern genau die Aufgabe dieses Prozesses. Solana hatte die Islamische Republik zuvor davor gewarnt, das neue Angebotspaket abzulehnen. »Wenn die iranische Führung die Offerte zurückweisen sollte, wäre das ein klarer Beweis, dass sie nicht Energie wollen, sondern Nuklearwaffen. »Das wäre ein gewaltiger Fehler«, sagte Solana.

Artikel vom 06.06.2006