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Damit der Roboter auf
Zuruf »gehorcht«

DFG finanziert mit Millionen Uni-Spitzenforschung


Von Sabine Schulze
Bielefeld (sas). »Ich meine das Blatt dahinten an der Wand.« Prompt drehen sich alle um. Und niemand wird die leere Wand anschauen, sondern den Blick natürlich auf das Blatt Papier richten, das daran geheftet ist. Und natürlich wird niemand auf die Idee kommen, ein Pflanzenblatt an der Wand zu vermuten: Denn der Mensch kann auch vage Angaben verstehen. »Es reicht oft die ungefähre Sprache«, sagt Prof. Dr. Helge Ritter. Ein Roboter hätte mit der unpräzisen Information wenig anfangen können und sich stur gestellt: Er versteht uns eben nicht. Das soll anders werden. Ein neuer Sonderforschungsbereich der Universität wird sich in den kommenden Jahren der »Mensch-Maschine-Kommunikation widmen.
Getragen wird der »SFB 673« mit dem offiziellen Titel »Alignment in Communication« von einer interdisziplinären Forschergruppe aus Linguisten, Informatikern und Neurowissenschaftlern, federführend sind Prof. Dr. Gert Rickheit und Prof. Dr. Helge Ritter, denen 18 Wissenschaftler und 20 Hilfskräfte zur Seite stehen. Die Laufzeit beträgt zunächst vier Jahre, eine Verlängerung auf insgesamt zwölf Jahre ist möglich. Pro Jahr wird die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den SFB mit 1,5 Millionen Euro fördern.
Zunächst werden sich die Linguisten und Informatiker mit der Frage befassen, wie die menschliche Kommunikation funktioniert. Aufgrund eines gemeinsamen kulturellen und Wissenshintergrundes ist das gegenseitige Verstehen in der Regel problemlos. Und neben die Sprache treten als Mittel der Kommunikation - unbewusst eingesetzt - Gestik und Mimik. Verstanden werden müssen aber gerade auch diese automatisch ablaufenden, routinierten Prozesse. »Grob gerastert wissen wir, wie was klappt. Das reicht aber nicht, um einen Roboter zu modellieren«, betont Ritter. Dafür, ergänzt Rickheit, sei es nötig zu wissen, wie welche Äußerung produziert und geäußert wird, welche kognitiven Prozesse zugrundeliegen und wie Gedächtnisinhalte abgerufen werden.
Nach dem menschlichen Vorbild sollen dann Computer und Roboter gebaut werden, die menschliche Flexibilität zeigen. »Tiefe Gefühle können wir nicht einpflanzen. die Maschine soll aber an Tonfall oder Mimik erkennen, ob wir zufrieden sind oder was wir wollen.« So abstrakt, wie das Forschungsgebiet im ersten Moment anmutet, ist es mithin längst nicht. »Es gibt weitreichende Anwendungen«, betont Rickheit. Eine könnte der Haushaltsroboter sein, der Ritter persönlich wichtiger wäre als sein Auto. Kein Wunder, dass in seinem Labor bereits eine Roboterhand hervorragend funktioniert.
Ebenso aber ist die menschliche Kommunikation via Maschine verbesserungswürdig. Rickheit: »Große Unternehmen haben Entwicklungsabteilungen häufig an mehreren Standorten. Das ist oft nicht so effektiv wie erhofft, weil tatsächlich die Zusammenarbeit von Angesicht zu Angesicht bessere Ergebnisse bringt.« Auch das Miteinander mittels Technik - nur über Text oder Ton, mit oder ohne Bild, mit Graphiken oder Simulationen - könnte also optimiert werden. Langfristig könnte dann auch das viel beschworene »e-learning« einen Aufschwung erleben.
Der SFB knüpft an einen erst Ende vergangenen Jahres abgelaufenen Sonderforschungsbereich an. Er befasste sich mit »Situierten künstlichen Kommunikatoren«. Dass die DFG die Fortsetzung eines Projektes finanziert, ist eine große Ausnahme und drückt Anerkennung aus.

Artikel vom 02.06.2006