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Mahmud
Ahmadinedschad

»Die, die Holocaust-Forscher einsperren, sind für Krieg. Wir sind demokratisch und friedlich.«

Leitartikel
Einreiseverbot zur WM

Rote Karte für Irans Antisemiten


Von Reinhard Brockmann
Mahmud Ahmadinedschad sei ein »erzkonservativer Präsident mit kompromissloser Rhetorik« formulierte dieser Tage die deutsche Presseagentur (dpa). Das ernsthafte Bemühen, die politische Einordnung eines Regierungschefs in bester, so weit eben möglich wertfreier Nachrichtensprache auf den Punkt zu bringen, ist erkennbar. Die Wortwahl geht aber weit an der bitteren Tatsache vorbei, dass der Iraner ein Holocaust-Leugner und antisemitischer Völkermordplaner ist.
Im »Spiegel«-Gespräch dieser Woche darf er sich darüber verbreiten, dass Europa angebliche Belege dafür, dass der Judenmord nie stattfand, rigoros unter die Decke kehre. Historiker würden eingesperrt und mitnichten sei klar, was in Auschwitz geschehen sei. Der Befragte stellt in dem Interview selbst die Fragen - und Deutschlands Vorzeige-Journalisten lassen ihn schwadronieren, dass jedem Neonazi das Herz aufgeht: Zionisten hätten sich verschworen, »kein Volk der Region hat Angst vor uns«, Israel müsse geräumt werden, usw...
Man fasst es nicht.
Der »Spiegel« hätte das Interview besser nicht gedruckt. Weshalb? Hätten Springers »Welt« oder die »Junge Freiheit« diesen Unsinn veröffentlicht, in eben jenem »Spiegel« wäre zu lesen gewesen, warum man Volksverhetzern keine Bühne bietet. Kaum jemand hat sich entrüstet über dieses verunglückte Interview. Müssen Ahamdinedschads Parolen erst von Rechtsextremisten als braune Banner durch deutsche Straße getragen werden, bis alle wach werden?
Paul Spiegel, der am 30. April verstorbene Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, war zur Jahreswende einer der ersten, der die Ächtung Ahmadinedschads verlangte. Man solle seine Nationalmannschaft an der WM teilnehmen lassen, dem Staatschef aber die VIP-Karte verwehren und sich dessen Einreise nach Deutschland verbitten.
Die Forderung wird inzwischen von Tausenden Intellektuellen in Deutschland unterstützt. Keine Frage, dass auch entsprechende Appelle aus Israel in Berlin fast täglich eintreffen. Dennoch bleibt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bei seiner Linie: »Wir sollten gute Gastgeber sein.« Auch der Weltfußballverband FIFA hält fest an hohlen Phrasen: Sport ist Sport. Sei's drum, auch wenn die wahre Handlungsmaxime in Genf anders lautet: »Business is business.«
Historisch gesehen war der Sport noch nie frei von Politik. So wie das »Wunder von Bern« ein Positivbeispiel ist, waren die Olympischen Spiele 1936 in Nazi-Deutschland ein Fall schlimmster Regime-PR, wie er nie wieder stattfinden darf. Olympia 1980 (Moskau) und im Gegenzug 1984 (Los Angeles) wurden wegen des russischen Einmarsches in Afghanistan blockiert.
Heute geht es nicht um die WM, wohl aber darum, einem Brandstifter die rote Karte zu zeigen: Platzverweis. Der Mann muss mit Einreiseverbot belegt werden, selbst wenn ungeschriebene Gesetze (fast allen) Staatschefs weltweit Immunität gewähren.

Artikel vom 02.06.2006