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BND-Agent informiert, aber tatenlos

Noch ein peinliches Eingeständnis im Fall El Masri - Opposition entrüstet

Berlin (Reuters). Der Bundesnachrichtendienst gerät weiter unter Druck, weil einer seiner Mitarbeiter schon während der Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri durch die CIA von dem Fall erfahren hatte.
Von der CIA entführt: Khaled El Masri.

Der Mitarbeiter habe bereits im Januar 2004 von der Entführung El-Masris gewusst, aber dieses Wissen »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit« nicht weitergegeben, erklärte der BND gestern in Berlin. Die Bundesregierung hatte bislang erklärt, Bundesbehörden hätten erst nach El-Masris Freilassung im Mai 2004 von dem Fall erfahren.
Nach Angaben des Geheimdienstes hat ein Mitarbeiter des mittleren Dienstes in der ersten Januarhälfte 2004 in einer mazedonischen Behördenkantine von einem Unbekannten erfahren, dass ein deutscher Staatsbürger namens El-Masri auf Grund einer Fahndung festgenommen und den USA übergeben worden sei. »Da der Mitarbeiter mit gänzlich anderer Aufgabenstellung vor Ort eingesetzt war und ihm der Name El-Masri nichts sagte, habe er keinen Anlass gesehen, diesem Sachverhalt nachzugehen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe er die Information auch nicht weiter gegeben«, teilte der BND mit. Damals war der heutige Innenstaatssekretär August Hanning BND-Chef.
Der BND fand die Informationspanne erst in den letzten Tagen heraus. »Das hätte natürlich sofort mitgeteilt werden müssen«, sagte ein Behördensprecher. Der Mitarbeiter habe offenbar vergessen, dies zu melden, als der Dienst den Vorwürfen im Fall El-Masri nachging. »Wir sind natürlich jetzt in einer ziemlich peinlichen Situation.«
Das Bundeskanzleramt erklärte, es bedauere, dass die neuen Informationen nicht im Regierungsbericht zu den Vorwürfen an das Kontrollgremium des Bundestags enthalten sein konnten. Darin heißt es, der Fall sei erst nach El-Masris Freilassung bekannt geworden.
El-Masri wurde nach eigenen Angaben Ende 2003 auf einer Reise in Mazedonien entführt und fünf Monate später freigelassen, nachdem er in Afghanistan festgehalten wurde. Die USA haben indirekt zugegeben, dass er irrtümlich entführt wurde.
FDP-Chef Guido Westerwelle wertete die BND-Erklärung als »handfesten Skandal«. Die Regierung habe dem Bundestag eine unrichtige Darstellung gegeben. »Die Verschleierung und Vertuschung geht weiter, wenn jetzt behauptet wird, der informierte Beamte ... habe die Information nicht weiter gegeben.« Der Vertreter der Linkspartei im Kontrollgremium, Wolfgang Neskovic, forderte Aufklärung, warum der Beamte den Vorfall nicht meldete und warum er erst jetzt bekannt wurde. El-Masris Anwalt Manfred Gnjidic erhob nach der Erklärung Vorwürfe gegen die Regierung.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss befasste sich gestern mit Anträgen zur Aufklärung des Falls. Der Beamte soll offenbar als Zeuge geladen werden.
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Artikel vom 02.06.2006