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Forschung an der Intelligenzpille

Wildor Hollmann, Koryphäe der Sportmedizin, sprach über Fitness im Alter

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Nicht richtig fit? Treiben Sie Sport! Leerer Kopf vor Abi oder Examen? Lernen Sie fleißig! Oder aber Sie nehmen die Fitness- und Intelligenzpille. »Die wird eines Tages kommen, so problematisch das auch sein mag - und ich will nicht die Nummer 2 oder 3 sein, was die Entwicklung der in ihr enthaltenen Substanzen angeht.«

Der weltweit geachtete Internist, Herzspezialist, Biochemiker und Sportmediziner Prof. Wildor Hollmann, der derzeit erforscht, wie sich intellektuelle Leistung steigern lässt, sprach gestern in der Universität zum Thema »Gesund und leistungsfähig bis ins hohe Alter«.
»Sportmediziner kommen zu Wort« heißt die Vortragsreihe des Akademischen Turnbunds (ATB), die Koryphäen aus dem Umfeld des Sports regelmäßig ein Forum bietet. Dort wandelt man fern der pseudowissenschaftlichen Pfade. »Viele Empfehlungen, viele Warnungen sind unsinnig oder längst überholt«, versichert Hollmann, der mit seinen 81 Jahren fit ist wie der redensartliche Turnschuh.
Wie er das macht? »Ich esse täglich mindestens vier Eier, oft sechs bis acht.« Aber das böse Cholesterin? »Aus dem Ei stammt alles Leben, die Natur kann es also nicht als Hort schädlicher Substanzen konzipiert haben - ein Enzym im Ei verhindert die Aufnahme durch die Darmwand.« Hollmann gibt immerhin zu, ausreichend Obst und (die von ihm höchst ungeliebten) Salate zu essen. Und kaum Alkohol zu trinken.
Und er steigt Treppen, 200 Stufen mindestens, 400 oder mehr sind keine Seltenheit - »ein perfektes Training.« Hollmann war einer der ersten, die die Wechselwirkung von körperlicher Betätigung mit geistiger Leistungsfähigkeit wissenschaftlich untersucht haben. Zwar sind die Ergebnisse in der Regel bahnbrechend, aber nicht frauenzeitschrifttauglich, weil unspektakulär.
Beispiele? »Gehen Sie täglich fünf- bis zehnmal auf einer sieben, acht Meter langen schnurgeraden gedachten Linie. Steigern Sie Ihre Koordinationsfähigkeit, indem Sie dasselbe rückwärts tun. Erhöhen Sie den Schwierigkeitsgrad, indem Sie gleichzeitig von einer hohen Zahl ab rückwärts zählen.« Morgendliches Ankleiden, abendliches Auskleiden, beides auf einem Bein stehend: perfekt. Ein Glas Wasser mehrmals am Tag 15 Treppenstufen hinauf- und hinunter tragen, ohne etwas zu verschütten: klasse. »Wer nichts für seinen Körper tut, beherrscht ihn irgendwann nicht mehr - mit fatalen Folgen.«
An der Bielefelder Universität fallen Wildors Erkenntnisse, der in Köln, Jülich und Bad Kissingen forscht, auf fruchtbaren Boden. »Ich bin seine Schülerin gewesen«, sagt Prof. Elke Zimmermann, die den Lehrstuhl für Sportmedizin innehat. Und sie nahm eine profane, darum aber nicht weniger unwissenschaftliche Information mit: »Die deutsche Nationalelf ist deutlich schwächer als die von 1990 und 1974.« Ungute Gefühle keimen auf, so kurz vor der WM, aber der vielfach ausgezeichnete Arzt weiß, wovon er redet: Hollmann betreute die Nationalkicker von 1958 bis 1978 - Sepp Herbergers und Helmut Schöns Erfolge sind auch die seinen.

Artikel vom 01.06.2006