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Warum Mann besser wirft
und Frau besser putzt

Der kleine Unterschied zeigt sich auch im Gehirn

Von Sabine Schulze
Bielefeld (sas). Es gibt ein männliches und ein weibliches Gehirn. Wenn Frauen laut Buchtitel (angeblich) nicht gut einparken und Männer nicht zuhören können, ist das nicht nur anerzogen oder einem Rollenverständnis geschuldet: Das Geschlecht bildet sich auf der Hirnebene ab. Und das wiederum führt zu unterschiedlichen Stärken und Schwächen.

Prof. Dr. Hans-Joachim Markowitsch führt seine Studien daher stets mit nur einem Geschlecht durch: »Anderenfalls wären die Ergebnisse verfälscht«, sagt der renommierte Hirnforscher, der an der Universität Bielefeld lehrt. »Denn es gibt einfach grundlegende Unterschiede - in Anatomie, Chemie und Funktion.«
Der erste Unterschied liegt im Gewicht: Das Gehirn eines Mannes wiegt etwa 1550 Gramm, das einer Frau 1350 Gramm. Kein Grund zum Triumph für die Herren der Schöpfung: »Die Nervenzellen der Frauen sind auch kleiner, das kompensiert das geringere Gewicht.« Zudem, ergänzt Markowitsch, ist der Hirnstoffwechsel bei Frauen um 19 Prozent intensiver und gibt es im Frauenhirn deutlich mehr Faserverbindungen zwischen linker und rechter Hirnhälfte. Und: Im Alter sterben die Neuronen bei Ihm schneller ab als bei Ihr.
Dass Männer- und Frauengehirne anders »ticken«, beweist auch die funktionelle Bildgebung mittels Kernspintomographie: Auch wenn sie sich an einunddiesselbe Situation erinnern, sind unterschiedliche Hirnteile beteiligt. Und wenn ein Mann spricht, aktiviert er die Sprachregionen im linken vorderen Stirnlappen (es sei denn, er ist ausgeprägter Linkshänder, dann können die Hirnregionen seitenvertauscht sein), eine Frau hingegen Areale in beiden vorderen Hirnhälften. »Links ist eher der Sitz für das Rationale, rechts für das Emotionale. Wenn Frauen sprechen, schwingen also Gefühle mit.«
Ohnehin ist die Frau die sprachlich gewandtere und aktivere. »Wenn Frauen eine SMS verschicken, ist die im Schnitt zehnmal so lang wie die eines Mannes.« Sie hat zudem die ausgeprägtere Feinmotorik (Nähen und Putzen liegen dem weiblichen Geschlecht also eher), und Sie kann besser rechnen. Der Mann hingegen löst Textaufgaben sicherer, kann besser Werfen und Fangen (»Ein Relikt aus der Steinzeit, als der Speer die Gazelle treffen musste«, kommentiert Markowitsch), und er hat das bessere räumliche Vorstellungsvermögen. Dazu passt, dass er Figur und Hintergrund besser differenzieren kann, »also besser erkennen kann, ob hinter dem Busch ein Löwe oder eine Gazelle ist: Feind oder Beute.« Und das könnte erklären, warum er womöglich (!) besser einparken kann.
Schwieriger ist es für Männer, in der Mimik des Gegenübers Emotionen zu entdecken. Das fällt ihnen bei Ihresgleichen noch leichter. Den Gesichtsausdruck von Frauen interpretiert das starke Geschlecht hingegen oft falsch. Frauen hingegen beurteilen die Gefühlslage des Gegenübers - egal, ob Männlein oder Weiblein - gleich sicher und richtig.
Fassbar werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern auch beim Blick auf den Hippothalamus, das Hirnareal, das die autonomen Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Hunger, Durst oder Lust und die Drüsen steuert. Es besteht aus 20 bis 30 Kernen. »Fünf oder sechs dieser Kerne steuern die Produktion von Geschlechtshormonen und die sexuelle Orientierung. Bei Frauen sind diese Kerne fünf bis siebenmal kleiner als bei heterosexuellen Männern«, erklärt der Hirnforscher.
Das Verblüffende: Auch bei homosexuellen Männern sind diese Kerne so klein. »Die Frage ist, ob die kleinen Kerne für die Ausprägung der Homosexualität verantwortlich sind oder umgekehrt die Homosexualität das Gehirn, das ja zeitlebens beeinflussbar ist, verändert.« Mit anderen Worten: Ist Homosexualität angeboren oder erworben? Eindeutig, so Markowitsch, können Hormone Eigenschaften und Struktur des Gehirns ändern und modellieren: »Das Gehirn eines Kastraten wird weiblich. Und wenn Mädchen Testosteron bekommen - an Sportlerinnen hinreichend erprobt -, wird ihr Gehirn vermännlichen.«
Einfluss auf das Gehirn nehmen aber auch Hormone, die der Mensch mit der Nahrung zu sich nimmt: Lecithin (in Nüssen und Eidotter enthalten) erhöht die Gedächtnisleistung. Und Serotonin, Bestandteil der Schokolade, gilt als Glückshormon.
Dessen Konzentration ist im Gehirn von Frauen niedriger als im Gehirn von Männern. Und tatsächlich leiden Frauen häufiger an Depressionen. Auch der Botenstoff Dopamin ist im Frauenhirn niedriger dosiert. »Und Frauen erkranken laut altersbereinigter Statistik häufiger an Alzheimer.« Mit dem Alter wird der kleine Unterschied zwischen den Geschlechtern im übrigen noch kleiner: »Wenn die Konzentration der Geschlechtshormone abnimmt, gleichen sich Männer und Frauen an«, schmunzelt Markowitsch.

Artikel vom 02.06.2006