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Häftling erwirkt
neues Gesetz

Jugendstrafvollzug wird geregelt

Von Christian Althoff
Herford (WB). Die Bundesregierung muss bis Ende 2007 ein Gesetz erlassen, das den Jugendstrafvollzug regelt. Das hat das Bundesverfassungsgericht gestern entschieden. Das Verfahren war von dem Herforder Amtsrichter Helmut Knöner und dem Bielefelder Anwalt Michael Bagnucki angeschoben worden, die ihren Erfolg gestern in Karlsruhe feierten.
Rechtsanwalt Michael Bagnucki aus Bielefeld.
Amtsrichter Helmut Knöner aus Herford.

Die höchstrichterliche Entscheidung, die die Bundesregierung zu schnellem Handeln zwingt, geht auf den Fall eines Häftlings aus Herford zurück. Der 16-jährige Raubmörder war in der Jugendstrafanstalt an einer Schlägerei beteiligt gewesen. Daraufhin hatte der JVA-Leiter eine Disziplinarmaßnahme verhängt. Sie umfasste ein Einkaufsverbot, eine 14-tägige Fernsehsperre und den Ausschluss von Gemeinschaftsveranstaltungen.
»Auch wenn diese Strafen gerechtfertigt sind - es gibt für sie keine gesetzliche Grundlage«, kritisierte Amtsrichter Knöner. Er war Vollstreckungsleiter des Häftlings und hatte die Verfassungsbeschwerde angeregt. Deshalb zog Michael Bagnucki als Anwalt des Häftlings bis nach Karlsruhe, um die Disziplinarstrafen überprüfen zu lassen.
Der Zweite Senat entschied, dass für Maßnahmen, die in die Grundrechte jugendlicher Gefangener eingriffen, eine gesetzliche Grundlage erforderlich sei: »Und die gibt es bislang nicht!« Deshalb fordert das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz, in dem nun alle Aspekte des Jugendstrafvollzugs geregelt werden müssen: Verwandtenbesuche, Sportstunden, Disziplinarmaßnahmen, Ausbildungsmöglichkeiten und vieles mehr. Amtsrichter Knöner: »Die Verfassungsrichter gingen von der Überlegung aus, dass der Staat bei jugendlichen Gefangenen die Elternrolle übernimmt und damit entsprechende Verpflichtungen hat.«
Die von dem Häftling kritisierten Disziplinarmaßnahmen haben allerdings nach der Karlsruher Entscheidung Bestand. Solche Strafen müssten bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes hingenommen werden, weil sonst ein geordneter Jugendstrafvollzug nicht mehr möglich sei, heißt es in dem Urteil.
Rechtsanwalt Bagnucki sagte, der Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht sei der Höhepunkt seines Berufslebens. Amtsrichter Knöner erklärte, für ihn sei ein 16 Jahre dauernder Kampf zu Ende gegangen: »So lange fordere ich schon dieses Gesetz!«
Der »Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands« (BSBD) nannte das Urteil »überfällig«. Der Vorsitzende Klaus Jäkel sagte, ein hochwertiger Jugendstrafvollzug mit entsprechender Resozialisierung der Täter diene auch der Sicherheit der Allgemeinheit. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 01.06.2006