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Odonkor belebt
das Flügelspiel

Der Platz ist besser als das Podium

Leverkusen (WB/fwk). Sein Platz auf dem Platz ist rechts außen. Der war auch auf dem Podium noch frei. Dort saßen schon ein paar Herrschaften, zu denen David Odonkor noch aufblickt.
Der Bundestrainer war gekommen, Jens Nowotny hatte sich eingefunden, auch Jens Lehmann sollte Auskunft geben zum Spiel gegen die Japaner, in dem der junge Mann an ihrer Seite sein Debüt gefeiert hatte. Zum ersten Mal bestritt Odonkor ein A-Länderspiel, und seine erste halbe Stunde in der »richtigen« Nationalmannschaft verschlug dem U 21-Kicker von Borussia Dortmund mit Stammsitz in Ostwestfalen fast die Sprache.
Der gebürtige Bünder hatte sich vorher auf dem Rasen wohler gefühlt als jetzt im Visier der Kameras und vor mehreren Hundert Berichterstattern. Der 22-Jährige staunt immer noch über die WM-Berufung. Und nicht nur das: »Ich bin froh darüber, dass ich spielen durfte«, sagte er leise, »und es macht mich stolz.« Odonkor hatte sich »nervös« gefühlt, als es in der 63. Minute endlich so weit war, »aber das legte sich dann schnell.« Mit ein paar beherzten Flügelläufen demonstrierte der Dortmunder, warum ihn Jürgen Klinsmann zur Überraschung aller aus dem Hut zauberte. Bei Rückständen frischen Wind über die Außenbahn bringen - das wäre sein Job.
Ob die Deutschen es auch mal mit einem 4-3-3-System versuchen und der Borusse möglicherweise in diesem System eine WM-Chance von Beginn an bekäme, bleibt abzuwarten. Zunächst galt es auch andere Fragen zu klären. Zum Beispiel: Wie begegnet so ein scheuer Neuling am besten den arrivierten Profis wie Oliver Kahn? Klar darf er die deutsche WM-Eminenz duzen, und überhaupt, berichtet David Odonkor, »bin ich von der Mannschaft sehr gut aufgenommen worden.«
Schon lange dabei ist Arne Friedrich, zweiter WM-Spieler der Region. Doch auf Länderspiel Nummer 38 muss der 27 Jahre alte Bad Oeynhausener noch warten. Klinsmann verschaffte dem Rechtsverteidiger eine Pause. Gegen Luxemburg fiel der ehemaliger Bielefelder ab, der Bundestrainer zog die Konsequenz daraus: »Ich habe Arne gesagt: schnauf mal durch. Er ist etwas müde.«
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Klinsmann übergab Schneider den Außenposten in der Viererkette, weil er durch die Versetzung des Leverkuseners einen Platz im Mittelfeld frei schaufelte. Nur so war es möglich, Schweinsteiger und Borowski gemeinsam mit Kapitän Ballack spielen zu lassen. Andernfalls hätte einer der beiden auf die Bank gemusst. Da saß stattdessen Friedrich. »Wir müssen Varianten in der Schublade haben«, erklärte Klinsmann, »natürlich haben wir weiter Vertrauen in Arne.« Ein Wink war der »Verweis« vielleicht trotzdem.
Auch David Odonkor wurde vom Trainerstab aufgeklärt. Gleich in seiner zweiten Aktion im Strafraum eine »Schwalbe« aufsteigen zu lassen, war nicht so clever. Es gab gelb - und WM-Schiedsrichter merken sich sowas.

Artikel vom 01.06.2006