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Japan schwirrt durch die BayArena

Es wimmelt auf dem Platz - und plötzlich trifft auch Takahara ins Tor

Leverkusen (WB/fwk). Als Touristen sind sie fast überall anzutreffen. Nach der in Sachen Sehenswürdigkeiten bisher eher unbedeutenden Stadt Leverkusen machten sich so viele von ihnen jedoch noch nicht auf. Japans Nationaltrainer Zico - eine Legende.
Erst anlässlich des Länderspiels ihrer Nationalmannschaft gegen die DFB-Auswahl entdecken die Japaner die BayArena. Sie verbreiten sich wie ein Schwarm rund um das Fußball-Stadion. In solchen Scharen treten sie auf, dass die sich in Unterzahl wähnenden Einheimischen wohl annehmen müssen, auch diese Weltmeisterschaft finde in Japan statt, obwohl die angeblich doch nach Deutschland vergeben worden sein soll.
Beim Eintritt in das Pressezelt bestätigt sich die Dominanz aus Asien. Wollen die alle über die WM reportieren? Werden es dann noch mehr? Ist das der Anfang einer Invasion? Und dann beginnt das Spiel, auch auf dem Rasen wimmelt es vor Japanern. Sie schwirren aus.
Jedenfalls scheint es so, dass sie manchmal einen Mann mehr auf dem Feld haben. Der mit der Neun kommt uns bekannt vor, spielt der nicht schon länger in Deutschland, ohne dass es jemandem so richtig aufgefallen wäre? Naohiro Takahara schießt den Ball gleich zwei Mal ins Tor, und nun dämmert es. Ach ja, das ist der gleichnamige Chancentod des Hamburger SV. Ein Saisontreffer in der Liga, doppelt so viel in 90 Minuten gegen Deutschland. Die Japaner jubeln.
Ist auch nicht leicht mit ihnen. Flitzen den Deutschen immer vor der Nase her, machen deren Abwehr nass. 1:0, 2:0. Dass sie später trotzdem nur mit einem 2:2 belohnt werden, ärgert Zico, ihren Trainer, der eine brasilianische Legende ist. Zu gern hätte er gewonnen.
Das allein würde die Dinge in Leverkusen nach dem Spiel nicht kompliziert machen, nur die sprachliche Ausgangsposition ist etwas schwierig. Zico redet portugiesich, ein Dolmetscher übersetzt es in japanisch, von dort holt es eine junge Dame brüchig ins Deutsche herüber. Das größte Wort in der Dreierkombination führt der Japaner. Zico fasst sich kurz, er übersetzt lang. Aber was? Vermutlich verbreitet er auch, was der Trainer gar nicht gesagt hat.
Um das Verständnis soll es auch nicht immer so gut bestellt gewesen sein. Nach vier Jahren in Japan hört Zico, der Weltmeister, nach dem WM-Turnier auf. Asienmeister sind sie gleich zweimal mit ihm geworden, bei der Weltmeisterschaft in Südkorea und im eigenen Land hat es Japan 2002 wenigstens bis ins Achtelfinale gegen die Türkei gebracht. Beim Confed Cup vor einem Jahr zappelte sogar Zicos übermächtiges Fußball-Heimatland bis kurz vor Schluss am Haken der Elf seines hoch verehrten alten Helden.
Der Auftritt am japanischen Abend in Leverkusen ist auch nicht zu verachten gewesen. Aber Deutschland sollte sich darüber nicht grämen: 2:2 in einem schweren Auswärtsspiel - das geht doch.

Artikel vom 01.06.2006