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Der Heimweg ist das Ziel14-tägige Kreuzfahrt auf der MS Vistamar von Nizza nach Bremen
Urlaubs-Mathematik folgt anderen Gesetzen. Zwei plus zwei plus zwei sind 14. Diese Rechnung stimmt tatsächlich: Zwei plus zwei Stunden dauern die Bahnfahrt von Bielefeld nach Köln und der anschließende Flug nach Nizza. Dann geht's für 14 Tage auf die MS Vistamar, die in diesen zwei Wochen nach Bremen fährt - und von dort aus benötigt man gut zwei Stunden per Zug nach Bielefeld. Ein zweiwöchiger Urlaub also, bei dem der Weg nach Hause das Ziel ist. Denn streng genommen beginnt nach der vierstündigen Anreise ja schon der lange Heimweg. Doch vorher sollte man die elegante Metropole an der Côte d'Azur unter die Füße nehmen. Museen locken mit Werken von Picasso und Chagall. Das Café de Turin lädt zu erlesenen Meeresfrüchten, die Eisdiele Fenocchio zu sagenhaften 120 Geschmacks-Erlebnissen von Olive über Rosmarin bis Lychee ein. Oder man bummelt über den Antikmarkt und die Strandpromenade. Um 23 Uhr - das erste Dinner an Bord hat bereits vorzüglich gemundet - verschwinden Nizzas Lichter langsam hinter dem Achterdeck am Horizont.
Der Seetag bringt auf dem Weg nach Palma de Mallorca zunächst Ungemach: Windstärke sechs ist nicht jedermanns Sache, doch rechtzeitig zum ersten Galaabend legt sich die steife Brise. Die Willkommens-Show der Bordkünstler ist gerade vorbei, da taucht die Silhouette der mallorquinischen Halbinsel Formentor im Dunkeln auf. Nur der Lichtfinger eines Leuchtturms erhellt die Nacht. Kein Straßenlicht, keine Siedlung ist zu sehen.
Am nächsten Morgen kreuzen drei Fischerboote malerisch durch die gleißend aufgehende Sonne, Palmas Kathedrale grüßt majestätisch die Kreuzfahrer. Die Hauptstadt der Balearen hat sich nach einhelliger Meinung der »Vistamar«-Passagiere zu einer echten Schönheit entwickelt. Moderne Kunstmuseen, hippe Designerläden, kuschelige Tapas-Bars und immer wieder stilecht und edel restaurierte Innenhöfe, die dank geöffneter Türen einen Blick hinter die Kulissen erlauben.
Ein weiterer Seetag kommt danach gerade recht, um zwischen zwei Tagen Pflastertreten die Erholung sicherzustellen. Denn das nächste Etappenziel heißt Cadiz - und dort steht zunächst die Besteigung eines Turmes der Kathedrale an, um den phänomenalen Blick auf die Silberne Stadt Andalusiens zu genießen und einmal eigenhändig eine Kirchenglocke zu läuten. Cadiz bildet die Spitze einer schmalen Halbinsel, um deren Kopf es sich vorzüglich wandern lässt. Alte Festungen zeugen von der Wehrhaftigkeit, majestätische Plätze mit altem Baumbestand laden zum Verweilen ein.
Präsentiert sich Cadiz verträumt und übersichtlich, ist Lissabon am folgenden Tag von einem ganz anderen Kaliber. Man muss sich entscheiden - will man den Kurzaufenthalt zum Shoppen in den eleganten Boutiquen der Baixa nutzen, das nicht minder mondäne Bairro Alto besuchen - oder vorbei an der Kathedrale hoch zum Schloss durch das sehr ursprüngliche Alfama-Viertel spazieren. In jedem Fall kann eine Kreuzfahrtvisite nur ein Appetithäppchen sein, um sich vorzunehmen, dieser Metropole in Zukunft mal eine eigene Städtereise zu widmen.
Gleiches gilt für den Tag in Galizien. In Vigo erfolgt die Ausschiffung, um mit dem Bus nach Santiago de Compostela zu fahren. Der berühmte Wallfahrtsort am Ende des Jakobsweges gehört zu den schönsten Städten Europas. Die Gäste von der »Vistamar« treffen gerade rechtzeitig ein, um das Schwenken des größten Weihrauchfasses der Welt zu erleben. Während dieser Zeit umrundet das Schiff die Nordwestspitze Spaniens, um die Ausflügler in La Coruna wieder an Bord zu nehmen.
Dann heißt es Abschied nehmen von Südeuropa: Einen ganzen Tag dampft die »Vistamar« gemütlich durch die Biscaya, die sich gnädig von ihrer ruhigen Seite zeigt. Seetage sind genau das Richtige, um das Schiff zu genießen - die gemütlichen Salons und Außendecks, die ruhige Bibliothek oder das Spielzimmer.
Der nächste Hafen, St. Peter Port auf der Kanalinsel Guernsey, bringt allen Passagieren schmerzhaft ins Bewusstsein, dass das Schiff im typisch britischen Schmuddelwetter angekommen ist. Zu allem Überfluss schwappt beim Ausbooten noch eine Welle ins Schlauchboot - vor dem Ausflug sind also eine schnelle Rückkehr zum Schiff und Umziehen angesagt. Dann aber geht es zu den schönen Parkanlagen der Insel und auf ein Bier in den Pub. Auf Kulturbeflissene wartet das märchenhafte Haus des französischen Dichters Victor Hugo.
Schafft es Küchenchef Klaus Beverburg schon an jedem Tag, die Gäste zweimal täglich aufs Feinste zu verwöhnen, so setzt seine Crew an diesem Abend noch ein Glanzlicht drauf. Nach der mitreißenden Show des britischen Musical-Stars Charlotte Cavelle im Don-Fernando-Club ist mitternächtliches Schlemmen angesagt. Nicht nur der Gaumen wird verwöhnt, sondern auch die Herzen der Fotofreunde schlagen höher. Zahlreiche aus Obst und Gemüse geschnitzte Figuren schmücken das Büffet.
Am nächsten Morgen wird aus der Hochseereise eine Flusskreuzfahrt - die »Vistamar« fährt die Themse aufwärts. Vorbei an blühenden Rapsfeldern, aber auch großen Industrieanlagen geht es ins Herz Großbritanniens, direkt zur Londoner Tower Bridge.
Nur bei Flut ist die Einfahrt in die Stadt möglich. Prägt anfangs noch hässliche Industrie das Bild, so werden die Reisenden nach dem Passieren des Tidensperrwerks einem Feuerwerk englischer Impressionen ausgesetzt. Es geht vorbei am riesigen Millennium-Dome, der Akademie und dem Observatorium von Greenwich, alten Pubs und den modernen Wolkenkratzern des neuen Bankenviertels. Dann drehen Schlepper die »Vistamar« um 180 Grad, ehe die letzten Meter zur Tower Bridge rückwärts zurückgelegt werden.
London, das Herz des British Empire, hat viel mehr Sehenswürdigkeiten zu bieten, als man an eineinhalb Tagen besuchen kann. Museen von Weltruf und verschwenderisch schöne Paläste, Skurriles wie Madame Tussaud's Wachsfigurenkabinett oder der »London Dungeon« und natürlich Musicals und Konzerte machen die Wahl zur Qual.
Gleiches gilt zwei Tage später auch in Ijmuiden, von wo aus man Amsterdam, Den Haag oder den Keukenhof besuchen kann.
Und dann ist am Abend wieder Kofferpacken angesagt. Die Kleidung, die man in Nizza in den Schrank gehängt hat, holt man in Bremen wieder heraus - und macht sich auf den Heimweg. So bequem und vielseitig kann Urlaub sein.Thomas Albertsen

Artikel vom 16.09.2006