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Viele gute Ideen
für eine bessere
Zukunft auf Rügen

Wünsche der Urlauber im Mittelpunkt

Von Thomas Albertsen
Bergen (WB). Eigentlich verstehen die Menschen in »McLenburg vor Pommern« Spaß. Wer über »Schissmar«, »Abkühlungsborn«, »Rohrstock«, »Schmalsund«, »Kaputbus« und »Verbergen« zum »Kap Argwohna« fährt, kann den speziellen, trockenen Humor der Ostsee-Anrainer erleben.

Doch auf Rügen ist seit dem Februar Schluss mit lustig. Weil die Insel als erster Ort Deutschlands, an dem die Vogelgrippe auftrat, Schlagzeilen machte und in der Folge die Urlauber einige Wochen ausblieben, ist nun die Diskussion über die Zukunft des Tourismus auf der Insel entbrannt. Die weitgehend unbegründete Angst der Feriengäste hat sich freilich schon wieder gelegt, und es greift die Erkenntnis Raum, dass zwar etliche Stornierungen dem unseligen Virus geschuldet waren - aber auch das kalte Frühjahr und die üble Abzockerei der Verbraucher an den Tankstellen trugen dazu bei, dass viele Menschen auf spontane Kurzreisen verzichteten. Es war aber einfach, die Ursachen »woanders« zu suchen. Das H5N1-Virus diente einigen auch als willkommene Entschuldigung für andere Fehler.
Nun wird Tacheles geredet, und die Kardinalfrage lautet: Quo vadis, Rügen? Landrätin Kerstin Kassner (PDS) ist der Ansicht, dass das Bettenkontigent im Prinzip ausreichend ist. Nachholbedarf habe nur noch der Westen Rügens, außerdem könnte das Campingangebot verbessert werden.
Viele Hoteliers fordern, Rügen benötige in naher bis mittlerer Zukunft eine stark verbesserte touristische Infrastruktur. Einer von ihnen ist Olaf Mertens, Direktor der Clubanlage »Aquamaris« in Juliusruh. Seine Kernthese lautet: Bislang habe Mecklenburg-Vorpommern noch nicht einmal 50 Prozent seines touristischen Potenzials ausgeschöpft. »Ein nachhaltiges Gästeplus kann nur durch neue Attraktionen erzielt werden.« Mertens, Herr über 260 Wohneinheiten, die vornehmlich Familien mit Kindern ansprechen, wünscht sich beispielsweise einen Safaripark und eine überdachte Erlebniswelt für Kinder, um Rügen als Ganzjahresziel zu positionieren. Dem widerspricht Raymond Kiesbye, Geschäftsführer der Touristikzentrale: »Rügen braucht wir keine künstlichen Urlaubswelten.«
Dominic Müller, der auf seiner Visitenkarte die Tätigkeitsbeschreibung Gastgeber angibt, hat als Direktor des Hotels »Meersinn« andere Visionen. Sein Haus ist in Binz ein architektonisches Glanzlicht, verbindet es doch klassische Bäderarchitektur mit modernstem Design. Zusammen mit dem Arzt Dr. Alex Witasek baut er derzeit das Gesundheitszentrum »Artepuri« an, welches ab Sommer unter dem Motto »Purify Your Life« Privatkuren anbietet. Den Schwerpunkt bilden zeitgemäß interpretierte Behandlungen nach F.X. Mayr. Bioküche auf höchstem Niveau erfreut daneben die Schlemmer, die auf leichte Art genießen wollen. Das Hotel »Park Ambiance« in Sellin hingegen setzt auf Medical Wellness in Verbindung mit eleganter Gemütlichkeit, das Romantik-Hotel »Kaufmannshof Hermerschmidt« in Bergen spricht eher Geschäftsreisende an und hat sich dank exzellenter, phantasievoller Torten den Ruf als bestes Inselcafé erworben.
Alle Hoteliers und Fewo-Vermieter auf der Insel klagen derzeit über schlechtes Geschäft, doch Dominic Müller rät: »Bloß nicht die Preise senken - das lässt sich hinterher nur schwer wieder rückgängig machen.« In der Tat hat Rügen das auch nicht nötig, denn die Insel bietet wirklich vielseitigen Urlaub vom Allerfeinsten. Je besser die Gastgeber es verstehen, erkennbar Nischen zu besetzen, desto weniger Einbußen hatten sie dieses Frühjahr, desto besser gebucht sind sie im bevorstehenden Sommer.
Zum Beispiel der »Wree-cher Hof« nahe Putbus. Er liegt in der Nähe des Golfplatzes, auf dem Sport und Spaß ganz oben stehen, elitäres Abschotten jedoch verpönt ist. Ob der schwierige 18-Loch-Kurs oder der naturnahe 9-Loch-Übungskurs: Wer spielen kann, ist auf beiden Plätzen auch ohne Clubmitgliedschaft willkommen. Das freut vor allem Anfänger, die den Sport in einem Ferienkurs erlernt haben. Achtung: Man sollte vorzugsweise mit gelben Bällen spielen, weil die weißen gerne von Krähen gestohlen werden.
Die sieben Reetdachvillen des »Wreecher Hofes« eignen sich aber auch vorzüglich als Ausgangspunkt für Radtouren. Das Inhaber-Ehepaar Jürgens würde es begrüßen, wenn das benachbarte Putbus endlich aus seinem Dornröschenschlaf erwachen und mehr aus seinen Möglichkeiten würde. Zwar gibt es dort feine Kulturveranstaltungen, aber die sehenswerte Architektur des Ortes befindet sich teilweise noch in einem schlimmen Zustand. Ulla und Dieter Jürgens haben ihr schickes Hoteldorf mit sehenswerter afrikanischer Kunst geschmückt - ein reizvoller Kontrast zum maritimen Baustil.
Tierliebe Familien mit Kindern kommen übrigens auch im »Abenteuerland Swine« auf ihre Kosten, wo Känguruhs, Strauße und Jaks bestaunt werden können. Auf die Erwachsenen wartet derweil eine hübsche Kunstgalerie.
So enttäuschend Putbus auf manche Besucher wirkt, so erfreulicher ist der Besuch in Lohme, wo derzeit ein Kurpark mit weißer Holzkirche entsteht. Dort starten Wanderwege entlang der Kreideküste. Ein Muss ist das Frühstück im Panorama-Hotel Lohme auf der Sonnenterrasse hoch über der Steilküste. Das ist ebenso Kult wie der Nachmittagstee auf der Terrasse des »Reid's« auf Madeira oder der Cocktail in »Harry's Bar« in Venedig. Keiner vermittelt außerdem besser das Entstehen der romantischen Kunst auf Rügen wie der engagierte Hotelier Matthias Ogilvie.
Ähnlich wie in Putbus geht es auch in Prora nicht wirklich voran. Landrätin Kassner ist enttäuscht von dem Hüllhorster Investor Kurt Meyer, der das Herzstück der ehemaligen KdF-Anlage gekauft hat: »Er tut nicht wirklich etwas für die Vielfalt vor Ort, und ich gehe davon aus, dass er spätestens 2007 alleine dort mit seinen Aktivitäten übrig ist. In kultureller Hinsicht wird Prora dann verarmen«.
Rügens Zukunft hängt aber auch entscheidend davon ab, wie sich die Verkehrsströme in Zukunft lenken lassen. Nicht vor Herbst 2007 wird die Strelasundbrücke als Ersatz für den engen Rügendamm eröffnet. Zur Zeit bemüht sich die Landrätin um Fördermittel zur Erstellung eines integrierten Verkehrskonzeptes, denn in der Hochsaison gibt es viele Staus auf der Insel. Auch fehlen Parkplätze, und die vorhandenen müssen die Urlauber viel zu teuer bezahlen.
Gescheitert ist der Versuch, die Bedürfnisse von Einheimischen und Besuchern in einem Linienbus-Netz zu bündeln. Sinnvoll für die Urlauber wäre es, von Göhren bis zum Kap Arkona einen kostenlosen Pendelbusverkehr anzubieten, der alle Hotelzentren und wichtigen Sehenswürdigkeiten verbindet.
www.ruegen.de

Artikel vom 15.06.2006