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Doktor Elbaz im WM-Rausch

WM-Paten (Folge 31): Arzt aus Saudi-Arabien operiert in Bad Oeynhausen

Von Alexander Grohmann
und Moritz Winde (Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Der WM-Rausch hat auch von der Bevölkerung in Saudi-Araben längst Besitz ergriffen -Êund das ganz ohne Hilfsmittel. »Alkohol ist bei uns verboten«, berichtet Dr. Mohamed Elbaz (28), Assistenzarzt im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen, von den strengen Sitten der Saudis, an die sich Elbaz auch fernab seiner Heimat hält.

Ausgelassene Stimmung im Wüstenstaat: Trotz der »Trockenheit« steigt in Saudi-Arabien eine riesengroße Fußball-Party. »Die Menschen bei uns werden tagelang feiern.« Gute Laune ist in dem großen Land ohnehin keine Seltenheit. Das liegt nicht nur daran, dass unentwegt die Sonne scheint. Riesige Öl-Vorkommen haben dem Wüstenstaat zu großem Reichtum verholfen. »Dort ist alles viel leichter«, schwärmt Dr. Mohamed Elbaz von den Bedingungen im »Luxusland«. So seien die Lebenskosten in Saudi-Arabien extrem niedrig. Ein Beispiel: Für einen Liter Benzin zahlen Dr. Elbaz' Landsleute nur 30 Cent. Wer an der Quelle sitzt ...
Trotzdem verließ Elbaz seine Heimat schon vor elf Jahren, um in Wien Medizin zu studieren. Mittlerweile besitzt der Arzt sogar die österreichische Staatsbürgerschaft. Er weiß aber: Seine Wurzeln liegen woanders. Deshalb: »Ein Mal im Jahr fahre ich für einen Monat zu meiner Familie«, zieht es den 28-Jährigen regelmäßig zurück in die Heimat. Ursprünglich stammt die Familie des Wahl-Wieners aus Palästina. Die Fußball-WM erlebt der »Arzt ohne Grenzen« in Bad Oeynhausen, wo er seit März eine Assistenzstelle in der Herzklinik bekleidet.
Und trotz anstrengender Dienstzeiten ist er natürlich bestrebt, so viel wie möglich von den Fußball-Festspielen mitzubekommen. Vor allem von seinen Saudis, mit deren Herrlichkeit es nach drei Spielen wieder mal vorbei sein könnte. Spanien und Ukraine - diese Vorrundengegner in Gruppe H bereiten den Saudis die meisten Sorgen. Nur gegen Tunesien erwartet den WM-Außenseiter wohl ein Duell auf Augenhöhe. »Beide Teams ähneln sich in der Spielanlage und kennen sich aus vielen Duellen. Das könnte spannend werden«, hofft der Mediziner auf einen Startsieg. Mit drei Punkten im Rücken ließe sich in der Folge leichter aufspielen.
Aufgewachsen ist Mohamed Elbaz als das älteste von fünf Kindern in Djidda. Viele Pilger nutzen die Stadt als Durchgangsstation vor ihrer Weiterreise ins nahe gelegene Mekka. »Ich war selbst schon oft dort«, berichtet der Moslem, der auch fernab seiner Heimat streng nach den Regeln seiner Religion lebt. Das Zentrum des Landes ist die Hauptstadt Riad mit ihren 2,2 Millionen Einwohnern. Fußball wird vorwiegend unter dem Dach gespielt. Wegen der großen Hitze gibt es viele Indoor-Arenen. »Tagsüber sind es oft über 50 Grad. Da sieht man keinen Menschen auf den Straßen.« Sollte Saudi-Arabien ein Spiel bei der WM gewinnen, dann dürfte sich das aber schlagartig ändern. Dann geht das Temperament mit den Saudis durch.
Der Arzt, dessen Herz beim Turnier natürlich für seine Heimatnation schlägt, weiß: Die Hoffnung, dass die WM-Operation ein Erfolg wird, ist gering. Dr. Elbaz sieht das in mehreren Aspekten begründet. Zum einen: »Wir haben zu viel Angst«, ist der Respekt vor den Fußball-Nationen wie Spanien sehr groß. Zum anderen: »Die meisten Spieler haben keine internationale Erfahrung, weil sie nur in der nationalen Liga spielen.« Schillernde Ausnahme: Sami Al Jaber. Der Torjäger war früher für die Wolverhampton Wanderers in England im Einsatz und genießt im saudi-arabischen Fußball einen Sonderstatus.
Trotzdem: Dr. Mohamed Elbaz rechnet nicht damit, dass seine Mannschaft die Vorrunde übersteht. Er wäre deshalb schon zufrieden, wenn Saudi-Arabien eine Schmach wie bei der WM vor vier Jahren erspart bleibt. Damals musste sich das Team von Deutschland mit 8:0 »abschießen« lassen. »Ich hoffe, dass wir diesmal ein besseres Bild abgeben.« Sollten die Saudis erwartungsgemäß auch bei ihrer vierten WM-Teilnahme in Folge früh den Abflug machen, kommt aber keine Katerstimmung auf. »Dann hoffe ich auf Deutschland.«

Artikel vom 31.05.2006