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Thilo von Trotha

»Ob der Mensch glaubt, das liegt bei Gott. Ob die Kirchen gut besucht sind, das liegt beim Pfarrer.«

Leitartikel
Lebensführung

Das ist
eine andere
»Liga«


Von Rolf Dressler
Des Menschen Dasein ist wie ein Füllhorn. Es birgt immer wieder neue Überraschungen. Mal lösen sie unverhofft Freude, ja, Überschwang aus. Dann wieder erfüllen sie uns mit seelischem oder körperlichem Schmerz. Oder sie stürzen uns in plagende Selbstzweifel.
So manche Wendungen hin zum Guten jedoch vollziehen sich auf beinahe wundersame und zu- gleich erhebende Weise. Vom Winde verweht scheinen beispielsweise die harschen, teils rüden Kritiken und (Vor-)Urteile vor allem auch aus Deutschland, die den Deutschen Joseph Ratzinger begleiteten, kaum dass er zum Nachfolger Karol Wojtylas, des polnischen Oberhauptes der katholischen Weltkirche, bestimmt worden war.
Nahezu völlig verstummt sind binnen kurzer Zeit die Stimmen derer, die den neuen Papst Benedikt XVI. als einen Mann abzustempeln versuchten, der angeblich steif und starr dem Gestern und Vorgestern verhaftet sei. Offenbar aber überrascht und beschämt gerade dieser Papst die Kleinmütigen und die Hämischen.
Denn in einer, in seiner Person verkörpert er die sinnstiftende Botschaft, den Menschen in einer wohltuend bescheidenen und verbindenden Art zugleich Geistliches und Geistiges mit auf den Weg geben zu können. Als Angebot, das bei Benedikt XVI. in der Klarheit der Gedankenführung freilich auf der tiefen Überzeugung gründet, »dass Gott uns Men-schen, jeden einzelnen, wirklich fürsorgend sieht, dass er uns Freiheit lässt und uns dennoch verlässlich führt, wenn wir denn bereit und willens sind, dieses Geleit anzunehmen«.
Deshalb strahlt gerade auch das, was Papst Benedikt XVI. am Sonntag vor dem Pfingstfest 2006 auf dem Boden des einstigen NS-Vernichtungslagers Auschwitz zum Ausdruck brachte, weit über seine Kirche hinaus. Es betrifft genauso die nicht-katholische Christenheit wie das Miteinander aller Religionen.
Im übrigen, aber ganz gewiss nicht zuletzt sollten wir Christen uns wieder stärker auf die Möglichkeiten einer sinnerfüllten Lebensführung und Lebensgestaltung besinnen. Eine Predigt braucht gar nicht unbedingt genauso unterhaltsam zu sein wie Thomas Gottschalks »Wetten, dass?« Predigten sollen Menschen zu Gott führen und sie bei ihm halten, sagt schlicht und treffend Thilo von Trotha. Er ist wohlgemerkt Präsident des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache. Von Berufs wegen verfasst der gelernte Rechtswissenschaftler und gläubige evangelische Christ Reden, ob wie einst für den SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt wie auch für Verwaltungschefs oder Wirtschaftsmanager. Predigten schreibt er nicht.
Von den Predigern gerade unserer verwirrend orientierungsarmen Zeiten allerdings erwartet er zuvorderst eines: Sie sollten »tief und gründlich nachdenken und dann in kurzen Sätzen und mit einfachen Worten für Gott werben«. Zu viele Pfarrer machten es leider genau umgekehrt.
Dabei besuchen noch immer Sonntag für Sonntag fast vier Millionen Menschen die Gottesdienste in Deutschlands Kirchen. 12 bis 15 Mal mehr als die Fußball-Bundesliga zählt.

Artikel vom 03.06.2006