31.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

EU einig bei Dienstleistungen

Kompromiss soll den Weg zu mehr Jobs und Wachstum frei machen

Brüssel (dpa). Mit der Einigung auf die Marktöffnung bei Dienstleistungen hat die Europäische Union (EU) den Weg für mehr Wachstum und Arbeitsplätze in diesem Zukunftssektor frei gemacht.
Die Bundesregierung, EU-Kommission und Vertreter der großen Fraktionen im Europaparlament begrüßten den Kompromiss.
Die EU-Wirtschaftsminister hatten sich am späten Montagabend in Brüssel nach über achtstündigen Marathon-Verhandlungen einvernehmlich auf eine entschärfte Version der seit Jahren heftig umstrittenen EU- Dienstleistungsrichtlinie verständigt. Lediglich Litauen und Belgien enthielten sich der Stimme.
Die auch nach dem früheren EU-Kommissar Frits Bolkestein benannte Richtlinie erleichtert vom kommenden Jahrzehnt an grenzüberschreitende Dienstleistungen in der EU - etwa im Baubereich. Gesetzes- und Verwaltungshürden in den EU-Staaten werden fallen. Wichtige Bereiche wie Gesundheit oder Verkehr sind allerdings komplett ausgeklammert.
Die EU-Kommission unterstrich gestern die politische Signalwirkung der Einigung, die auf dem bahnbrechenden Kompromiss des Europaparlaments vom Februar fußt. »Es gibt in Europa eine politische Dynamik«, sagte der Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Ein Jahr nach dem Scheitern des Verfassungsreferendums in Frankreich sei Europa nicht gelähmt. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy sagte: »Das ist ein großer Tag für Europa.« Die EU-Behörde erwartet Hunderttausende neuer Jobs auf Grund der Marktöffnung.
Nach Massenprotesten auf europäischen Straßen hatte das EU- Parlament das »Herkunftslandprinzip« aus dem ursprünglichen Entwurf gestrichen. Der Vorschlag, dass für einen Dienstleister nur die Regeln seines Heimatlandes gelten sollen, hatte vor allem in alten EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich zu Furcht vor Lohn- und Sozialdumping geführt.
Wirtschaftsstaatssekretär Joachim Wuermeling sagte: »Das ist eine fein austarierte Balance zwischen Marktöffnung und Sozial- und Umweltschutz.«
Deutschland habe durchgesetzt, dass soziale Dienstleistungen inklusive des Pflegebereichs nicht unter das Gesetz fallen. Außerdem werde das bisherige Baurecht nicht angetastet. Bei der zweiten Lesung im Europaparlament erwarte er keine Probleme.
Die Richtlinie soll bis Ende des Jahres endgültig unter Dach und Fach sein. Danach haben die EU-Staaten drei Jahre Zeit zur Verankerung im nationalen Recht.
Der Fraktionsführer der Sozialisten im EU-Parlament, Martin Schulz (SPD), erklärte, die EU-Staaten seien zu 95 Prozent dem Parlamentskompromiss gefolgt: »Wir haben einen neo-liberalen Vorschlag genommen und ihn in eine Maßnahme verwandelt, die soziale Stabilität gewährleistet.« Die CDU-Europaabgeordneten Kurt Lechner und Andreas Schwab erwarten vom Gesetz ein positives Signal für Unternehmen und Arbeitsmärkte.
Die Richtlinie gilt unter anderem für Unternehmensberater, Werbe- und Personalagenturen, Dienstleistungen im Baugewerbe oder Autovermieter. Es gibt riesige Bereiche, die ausgenommen sind. Dazu gehören Finanzdienstleistungen, Verkehrsdienstleistungen inklusive Hafendiensten, Notare, Gesundheitsdienste sowie Grund- Dienstleistungen bei Post, Energie, Wasser und Abfall.
Über den Kompromiss muss nun noch einmal das EU-Parlament beraten. Mit Widerstand gegen die Regelung wird dort nicht gerechnet.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 31.05.2006