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Fluch und Segen durch Vulkan und Tsunami

Einerseits gut vorbereitet, andererseits panische Flucht

Von Frank Brandmaier
Yogyakarta (dpa). Die Enttäuschung in Anangs Stimme ist kaum zu überhören. »Wir haben bis jetzt nur 27 Eier und 2 Kartons Nudeln bekommen«, beschwert sich der Mann, dem schneller als nach anderen Katatstrophen geholfen wurde.

Aus Fluch wird Segen: Vulkan und Tsunami beschleunigen die Hilfe auf Java. »Wie soll das für 2000 Leute reichen?« Wie Anang sind zehntausende Überlebende hungrig, haben nicht einmal ein Zelt über dem Kopf; tausende weitere müssen viel zu lange auf einen Arzt warten.
Dennoch: Massive Hilfe war schon früh auf dem Weg - weit schneller, als viele es erhofft hatten. Experten sehen ausgerechnet das verheerende Tsunami-Desaster vor anderthalb Jahren und auch den brodelnden Vulkan Merapi ganz in der Nähe als Grund, dass es nach dem Beben nicht zu einer zweiten Tragödie aus Hunger, Tod und Seuchen kommt.
»Es ist eindeutig, dass die Regierungsbehörden bei ihrer Antwort auf den Tsunami viele Lektionen gelernt haben«, ist sich Ronnie Bala von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sicher. Schon nach der Flutwelle in der Provinz Aceh, die schätzungsweise 170 000 Menschen in den Tod riss, war er im Einsatz. »Jetzt verstehen sie die Bedeutung von Koordinierung und sie wissen jetzt, wie man Dinge schnell von hier nach dort bringt«, lobt der Logistiker.
Natürlich lassen sich die beiden Katastrophen und ihre Umstände nur schwer vergleichen. Aceh im Norden der Insel Sumatra war zum Zeitpunkt des Tsunami Kriegsgebiet, gesperrt für Ausländer, in jeder Hinsicht vernachlässigt von Jakarta. Die Gegend um die Großstadt Yogyakarta - im traditionellen Machtzentrum gelegen - hingegen ist auch wegen ihrer spektakulärer Tempelbauten eines der wichtigsten Touristenziele, ausgestattet mit bemerkenswerter Infrastruktur. Die Flutkatastrophe radierte große Teile der Verwaltung aus, in Yogyakarta indes blieb die Behördenstruktur weitgehend intakt.
Die Flutkatastrophe aber brachte hunderte von Hilfsorganisationen nach Aceh, und mit ihnen kamen Experten und Ausrüstung - die nun den Erdbeben-Überlebenden im 2500 Kilometer entfernten Yogjakarta zugute kommen. So verlegt das Deutsche Rote Kreuz Wasseraufbereiter von Sumatra nach Java. Viele andere, die Projekte im Norden Sumatras betreiben, tun es den Deutschen gleich.
Und schließlich hat sich die wochenlange Furcht vor einer Explosion des rumorenden Vulkans Merapi etwa 30 Kilometer von Yogyakarta entfernt - zumindest vorerst - als Segen erwiesen. Etwa 400 internationale Helfer hatten am Fuße des Berges schon Stellung bezogen, um bei einem Ausbruch schnell zur Stelle zu sein. »Es gab schon eine Infrastruktur, Personal, Wissen um die Gegend und alles war bereits am Laufen«, sagt Pujiono vom UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten.
Mancher allerdings macht die tiefe Furcht der Indonesier vor einer weiteren Flutwelle auch dafür verantwortlich, dass beim Beben derart viele Menschen starben. »Wenn die Leute nicht wegen Gerüchten über einen Tsunami davongelaufen wären, hätten viele, die unter den Trümmern lagen, gerettet werden können«, ist sich Nur Yuwono sicher. »Aber leider haben sich viele wegen dieser Gerüchte entschieden, nur ihr eigenes Leben zu retten.«

Artikel vom 30.05.2006