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Amokläufer schon an seiner Schule auffällig

16-jähriger Messerstecher hat noch nicht gestanden

Berlin (dpa). Nach dem Amoklauf eines betrunkenen 16-Jährigen in Berlin prüfen die Ermittler, welche Rolle Schulprobleme, Alkohol und der familiäre Hintergrund bei der Tat gespielt haben.

Das genaue Motiv für die Messerattacke ist weiter unklar. Generalstaatsanwalt Ralf Rother sagte gestern, der Schüler habe noch nicht gestanden. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch wies Kritik zurück, die Polizei habe den Täter, der am vergangenen Freitag 36 Menschen verletzte, nicht schnell genug gestoppt.
Änderungen am Sicherheitskonzept für die in knapp zwei Wochen beginnenden WM schloss der Berliner Polizeipräsident aus. »Amoklauf ist nicht die typische Situation bei der WM, mit der wir rechnen müssen, sie ist aber eine Variante«, sagte er.
Bei dem Amoklauf am späten Freitagabend hatte der 16-Jährige am Rande der Feierlichkeiten zur Einweihung des neuen Hauptbahnhofes innerhalb von 16 Minuten mindestens 36 Menschen verletzt. 31 davon stach er mit dem Messer vor allem in den Rücken und in die Brust, bevor er überwältigt werden konnte. Inzwischen sind die Opfer auf dem Weg der Besserung. Am Samstag wurde gegen ihn Haftbefehl wegen Mordversuchs in 24 Fällen sowie Körperverletzung erlassen. Er sitzt in einer Jugendhaftanstalt.
Der Schuldirektor des Jungen zeichnete ein widersprüchliches Bild des Täters. Im vergangenen Jahr war er an diese Schule versetzt worden, weil er Lehrer beleidigt hatte.
Auch an seiner neuen Schule fiel er mehrfach auf und sollte in ein spezielles pädagogisches Programm kommen. Das Fass zum Überlaufen hatte gebracht, dass er in der Schule ein Butterflymesser bei sich trug. Andererseits wurde er auch als liebenswürdig beschrieben.
Unterdessen bleibt für die durch Messerstiche Verletzten die Angst, sich mit dem Aidsvirus angesteckt zu haben. Eines der ersten Opfer des Amokläufers hatte angegeben, mit dem Aidserreger infiziert zu sein.
Durch das blutige Messer besteht ein Risiko der Ansteckung. Alle Verletzten und Einsatzkräfte wurden deshalb aufgerufen, sich in der Charité oder dem Virchow-Klinikum untersuchen zu lassen.
Bisher haben sich mehr als 75 Menschen gemeldet, um sich über eine eventuelle Ansteckung mit dem HIV-Erreger aufklären zu lassen. »37 Personen werden sich bei uns in den nächsten vier Wochen einer prophylaktischen medizinischen Maßnahme unterziehen«, sagte eine Charité-Sprecherin.

Artikel vom 30.05.2006