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Der lange Leidensweg
bis zur Diagnose CVID

Ständig krank: Frau hat zu wenige Antikörper im Blut

Von Jens Twiehaus
Herzebrock-Clarholz (WB). Ihre Augen sind feucht, die Stimme gedämpft. Wenn Elke Westkämper im Buch ihres Lebens zurückblättert, landet sie in Zeiten voller Leid und Schicksalsschläge. Sie gehört zu jenen Deutschen, die an extrem seltenen Krankheiten leiden. So dauerte es auch bei ihr viele Jahre, bis der Immundefekt CVID als Auslöser ihrer Leiden festgestellt wurde.
Mit dieser Pumpe muss sich Elke Westkämper regelmäßig Antikörper einflößen. Foto: Twiehaus

Leben - das bedeutete für Elke Westkämper, ständig krank zu sein. Bronchitis, Erkältungen, Infektionen: »Ich habe mich durchgequält«, sagt sie. Vor zwei Jahren erlitt sie sogar eine Frühgeburt. »In der 23. Woche setzten plötzlich die Wehen ein«, erzählt die Frau aus Herzebrock im Kreis Gütersloh. Das kleine Wesen überlebte nur zwei Stunden. Ein Schock, aber ihre dreijährige Tochter Marie beweist ihr, dass es nicht unmöglich ist, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen - trotz Krankheit.
Im Februar letzten Jahres kam Elke Westkämper mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. »Damals vermuteten Ärzte schon eine Immunschwäche«, berichtet die 37-Jährige. Als sie kurz darauf mit ihrem Mann Ludger zum Urlaub aufbrach, fühlte sie sich wieder schlecht. »Mich plagten die ganze Zeit Durchfälle«, erinnert sie sich, im April litt sie schließlich erneut an einer Lungenentzündung. »Antibiotika zeigten kaum noch Wirkung, und so bin ich ins Uniklinikum nach Freiburg gekommen.« Dort wurde die Diagnose CVID gestellt - eine Erlösung, denn endlich gab es eine Erklärung für die mysteriösen Dauer-Erkrankungen. Und Leidensgenossen, die sich in Verbänden für seltene Erkrankungen organisieren.
Dr. Carla Rautenberg ist Ansprechpartnerin für Elke Westkämper und Spezialistin für Immunerkrankungen. Sie erklärt: »CVID-Patienten haben zu wenig Antikörper im Blut und sind darum anfälliger für Immunerkrankungen.« Das Syndrom könne vererbt werden, wird aber manchmal auch durch einen Gen-Defekt beim Betroffenen ausgelöst. Oftmals werde die Krankheit im Kindesalter festgestellt, manchmal aber auch erst im 50. Lebensjahr.
Zwar kann CVID nicht geheilt werden - eine Linderung ist aber durch regelmäßiges Spritzen von Antikörpern möglich. »Das kostet mich jedes Mal Überwindung«, klagt die Frau über die 45-minütige Prozedur. Eine kleine, 3000 Euro teure Pumpe flößt ihr dann aus einer Ampulle Antikörper ein - zehnmal pro Woche. Eine Ampulle kostet 100 Euro, die Krankenkasse übernimmt die Kosten.
Die Patientin muss nicht nur sich versorgen - auch ein kleines Baby, das jetzt in ihrem Bauch heranwächst, braucht die Spritzen. »Nach der Frühgeburt vor zwei Jahren habe mich entschieden, es noch mal zu probieren.« Doch auch diese Schwangerschaft verläuft nicht ohne Probleme. »Zum gleichen Zeitpunkt wie damals haben wieder die Blutungen angefangen«, sagt die Mutter. Wegen einer zu geringen Anzahl an Blutplättchen für die Blutgerinnung muss sie demnächst intravenös Antikörper bekommen. »Das ist ein stundenlanger Prozess, aber sonst würde ich bei der Geburt verbluten.«

Artikel vom 07.06.2006