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Viele Asse sind nur Zuschauer

Die Torjäger Christian Vieri und Roy Makaay dürfen nicht schießen

Stuttgart (dpa). Die Welt ist zu Gast bei Freunden - aber nicht die ganze. Auf der größten Fußball-Party werden einige fehlen, die fest eingeplant waren oder eigentlich dazugehören.

So findet die Weltmeisterschaft in Deutschland ohne den Europameister Griechenland statt, ohne Stars wie der Italiener Christian Vieri oder Bundesliga-Torjäger Roy Makaay, ohne das amerikanische Wunderkind Freddy Adu und ohne die berühmteste Glatze auf dem Rasen: Der italienische Star-Schiedsrichter Pierluigi Collina ist für die FIFA mit 46 Jahren zu alt.
So mancher Stern, der bei der WM erst richtig aufgehen soll, ist möglicherweise bereits verglüht. Freddy Adu, geboren in Ghana, war mit 14 Profi in Washington, schloss einen Millionenvertrag mit »Nike« und bekam Schuhe mit dem Namen »Legend«. Zwei Jahre später bestritt er sein erstes Länderspiel. »Freddy ist ein Kind. Er ist 16 und hat noch einen weiten Weg vor sich«, sagte US-Nationaltrainer Bruce Arena dem »Spiegel Spezial«. »Er ist nicht mal Stammspieler in seinem Club.« Adu wurde nicht nominiert.
Ebenso wie viele jener Profis, die zwischen 2002 und 2005 im »Team 2006« des Deutschen Fußball-Bundes spielten. Nur Mike Hanke, Timo Hildebrand, Arne Friedrich und Tim Borowski haben sich im Sammelbecken von Talenten freigeschwommen und stehen im Kader von Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Dass auch Marketingexperten nur ahnen können, wie weit nach oben der Weg eines Talents führt, beweist die Fußball-Werbung von »Nutella«: Für den Schokoladenaufstrich warben in den letzten Monaten im Nationaltrikot Arne Friedrich, Andreas Hinkel, Benjamin Lauth und Kevin Kuranyi. Doch nur Friedrich gehört zum WM-Team.
Hoffnung auf eine Teilnahme haben sich weltweit wohl Tausende von Spielern gemacht. Nur wenige scheiterten kurz vor dem Ziel so spektakulär wie Benjamin Huggel. Nach den wüsten Ausschreitungen im entscheidenden Qualifikationsspiel zwischen der Türkei und der Schweiz war der Profi von Eintracht Frankfurt von der FIFA im Februar für sechs Länderspiele gesperrt worden - das WM-Aus. Auf seiner Homepage (www.benihuggel.ch) ist immer noch eine »Beileidsecke« eingerichtet: Ein Gästebuch »für Freunde von Beni, die ihm Mut und Hoffnung aussprechen wollen«. Ein Fan schreibt in feinstem Schwyzerdeutsch: »Heu Huggel, mr vrmisse di megga bi dr wm!«
Italien wird beim Ball-Spektakel Stürmer-Star Vieri vermissen, Portugal seinen Abwehrchef Jorge Andrade (beide Knieverletzung), Spanien seinen Angreifer Fernando Morientes: Der 30-Jährige wurde trotz zweier WM-Teilnahmen und drei Champions-League-Triumphen nicht nominiert. Die Niederländer lassen nicht nur Bayern-Stürmer Makaay, sondern auch Routinier Edgar Davids zu Hause.
Die Doppelspitze von Champions-League-Sieger FC Barcelona ist ebenfalls zu einem ausgiebigen Sommerurlaub verdammt: Ludovic Giuly steht nicht im WM-Aufgebot Frankreichs. Samuel Eto'o, mit 25 Treffern der führende Torschütze in Spanien, verpasste mit Kamerun die WM-Teilnahme. Den Triumph von Paris bezeichnete er als den schönsten Moment in meiner Karriere. »Aber es ist kein Ausgleich dafür, dass ich nicht nur WM darf. Das ist das wichtigste in unserer Welt und ich bin traurig, dass Kamerun nicht mitspielen darf.« Ein ähnliches Los zogen schon andere prominente Kollegen: George Weah war zwar 1995 »Weltfußballer des Jahres«, spielte aber mit Liberia nie bei einer WM.
Nicht jeder, der fehlt, wird auch jemandem fehlen. Doch mit der türkischen Nationalelf, 2002 noch Dritter, hätten in Deutschland mehr als 2 Millionen Türken gefiebert. Nicht qualifiziert hat sich auch China - mit 1,3 Milliarden Einwohner das bevölkerungsreichste Land der Erde. Dabei prophezeite Spielervermittler Juan Figer: »Der chinesische Fußball wird in zwei Jahren explodieren.« Figer, der zahlreiche brasilianischen Stars berät, kommt übrigens aus Uruguay: Auch der erste Weltmeister (1930) der Fußball-Geschichte fehlt in Deutschland.

Artikel vom 30.05.2006