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Das Torwart-Theater:
Polen sucht Nummer 1

Entscheidung in Wolfsburg: Kuszczak will drin bleiben

Barsinghausen (dpa). Mit gequältem Lächeln versicherte Artur Boruc: »Das ist mir egal. Der Trainer entscheidet immer spät, wer die Nummmer eins ist.« Und auch auf Nachfrage behauptete der polnische Torhüter: »Mir macht das gar nichts aus, ich kann warten.«

Der 26-jährige von Celtic Glasgow ist Teil eines merkwürdigen Torwart-Duells mit Tomasz Kuszczak, das wesentlich extremer und spezieller ist als es jenes zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann war - es ist auch eine Woche vor dem ersten WM-Spiel des deutschen Gruppengegners gegen Ecuador noch völlig offen.
Sogar Lukasz Fabianski, 21- jähriger Keeper von Legia Warschau und Nummer drei im Kader, darf sich noch Hoffnungen machen. »Ich werde am Samstag gegen Kroatien jede Halbzeit einen anderen Torwart testen«, sagte Janas, ohne sich auf die beiden Schlussleute festzulegen.
Während bei der deutschen Mannschaft die Frage nach der Nummer eins geklärt ist, hält die Kontroverse in Polen an. Eine besonders pikante Note erhielt das Duell zusätzlich dadurch, dass der Liebling der Fans gar nicht dabei ist: Den Zweikampf zwischen Glasgow-Keeper Boruc und Liverpools Jerzy Dudek beendete Trainer Pawel Janas, indem er Dudek aussortierte. Das ist so, als wenn Jürgen Klinsmann auf eine Nominierung von Kahn verzichtet hätte.
Dabei wäre Dudek, der Liverpool 2005 mit seinen gehaltenen Elfmetern den Sieg in der Champions League sicherte, auch ohne Stammplatz-Garantie zur WM gefahren: »Ich fühle mich wie ein Sohn, den der Vater aus dem Haus gejagt hat. In meiner Karriere war das der schmerzlichste Schlag.«
Die meisten polnischen Fußballfans können diese Entscheidung nicht verstehen. Als das Nationalteam gegen Kolumbien 1:2 verlor und dabei sowohl Boruc als auch der frühere Hertha BSC-Torwart Kuszczak ungewöhnliche Treffer kassierten, riefen die Zuschauer lautstark nach Dudek.
Wer nun während der WM zwischen den Pfosten stehen wird, will Janas frühestens nach dem Testspiel gegen Kroatien entscheiden. Dabei spielt es nach seinen Angaben nicht einmal eine Rolle, dass Kuszczak durch den Abschlag von Kolumbiens Keeper Luis Martinez am Dienstag aus 100 Metern Entfernung das kurioseste Tor in Polens Länderspiel-Geschichte kassiert hat.
»Kuszczak hat die Chance nicht verloren, als Torwart Nummer eins gesetzt zu werden«, sagte der Coach. Psychische Probleme, weil alle Welt über das Tor lacht, befürchtet er nicht. »Das ist kein Problem für ihn. Er ist stark genug, um wieder zu kommen«, sagte der Coach. Kuszczak gibt sich trotz des 100-Meter-Gegentreffers selbstbewusst: »Ich glaube, dass ich trotz dieser Kuriosität in Chorzow bei der WM spiele.«

Artikel vom 03.06.2006