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Studieren mit Kind ist nicht
gerade leichter geworden

Von Laura-Lena Förster
Verschwanden mit dem Bachelor die Babys? Nicht erst seit Studiengänge straff organisiert werden, ist der Hörsaal eine scheinbar elternfreie Zone. Dabei bekommen Studenten nicht weniger oder überhaupt keine Kinder mehr, sie bringen sie nur woanders unter. Fernab des öffentlichen Raums. Sechs Prozent der deutschen Studenten haben nach einer Erhebung des Deutschen Studentenwerkes Kinder. Die Zahl ist konstant. Noch. Leicht wird es den Studi-Eltern nämlich nicht gemacht, weiß Ulrike Piplies.

Für die Gleichstellungsbeauftragte Uschi Baaken berät sie Eltern an der Universität Bielefeld. Das können Mitarbeiter, das können Studenten sein. Letztere sind die Mehrheit. Wer in Ulrike Piplies Sprechstunde kommt, der weiß nicht, wo er sein Kind in der Vorlesungszeit unterbringen soll. Der hat Fragen zum BAföG, zu Hartz IV, Kinderzuschlag, Wohngeld, Elterninitiativen. Der weiß nicht, ob es überhaupt geht, mit Kind zu studieren. Das fragen sich gerade werdende Mütter.
Ulrike Piplies hat selbst Kinder. Damals, als sie studierte, kam es noch häufiger vor, dass man Kinder mit in die Uni nahm. »Man nahm« heißt: Kommilitonen und Dozenten akzeptieren Kinder, oft Säuglinge, in der Vorlesung oder im Seminar. Es gab weniger Betreuungsmöglichkeiten, aber auch die Stimmung war eine andere. »Heute können sich Studenten mit Kinderwagen freuen, wenn ihnen noch jemand die Tür aufhält«, sagt Ulrike Piplies und fasst die vielen, vielen Geschichten zusammen, die sie als Beraterin schon gehört hat.
»Die meisten Dozenten wissen überhaupt nicht, ob dort Eltern vor ihnen sitzen oder nicht«, sagt Ulrike Piplies. Wenn sie davon erfahren, dann beispielsweise in Prüfungssituationen. Wenn ein Kandidat nicht antreten kann, weil das Kind krank ist. Das Beste, was er oder sie dann machen kann, ist, bei Ulrike Piplies anzurufen. Die meisten Studienordnungen regeln hier nichts.
An individuelle Entscheidungen werden sich werdende Mütter und Väter ohnehin gewöhnen müssen. BAföG-Empfänger können zusätzliche Semester beantragen, bekommen müssen sie sie deshalb nicht. Das einzige, was der Student tun kann, ist, seinen Antrag überhaupt zu stellen. Von selbst passiert nämlich nichts - auch so eine Erfahrung. »In den meisten Fällen wird der Antrag aber bewilligt«, sagt Ulrike Piplies. »Probleme können die Bachelor-Studenten wegen ihrer verkürzten Studienzeit haben.«
Studentischen Eltern stehen durchaus verschiedene Sozialleistungen zu. Alleinerziehende haben die Möglichkeit, Sozialgeld für das Kind und einen Alleinerziehendenzuschlag bei der zuständigen Kommune zu beantragen. Paare, die selbst für ihren Unterhalt aufkommen, können einen Kinderzuschlag beantragen. »Das Ganze kann sehr aufwändig sein, weil es leider zu wenig Informationen gibt«, sagt Ulrike Piplies. »Wegen der finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten lohnt es sich aber, am Ball zu bleiben.«
Ob und inwiefern Studienbeiträge junge Eltern belasten, das muss in Bielefeld noch entschieden werden. Ulrike Piplies geht von einer Sonderregelung aus. »Eltern werden auf jeden Fall Freisemester, früher Bonussemester, bekommen«, sagt sie.
Immerhin schmückt die Uni vom 14. Juni an das Zertifikat »Familiengerechte Hochschule« der Hertie-Stiftung. Geplant ist, eine flexible Kurzzeitbetreuung einzurichten. Keine kostenlose, aber immerhin doch eine, die sich den Bedürfnissen des Einzelnen anpasst.
Vom 1. August an wird es zudem einen Kindergarten für Uni-Mitarbeiter geben. Für all jene, die bislang neidisch hoch zur Morgenbreede blickten. Dort, wo das Studentenwerk zwei Kindertagesstätten unterhält, aber nur Kinder von Studenten aufnimmt.
Zwei Gruppen mit je 15 Kindern im Altern von vier Monaten bis zum Schuleintritt sollen in der Betriebskita an der Jakob-Kaiser-Straße Platz finden. Träger ist die evangelische Dietrich-Bonhoeffer-Kirchengemeinde. Geöffnet ist sie von 7.30 bis 17 Uhr, danach gibt es auf Anfrage einen Babysitterdienst.
l Die Beratungsstunden für Eltern an der Uni sind montags und dienstags von 10 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung in L3-119. Terminänderungen werden am Informationsbrett im Flur bekannt gegeben. Weiteres ist unter Telefon 0 52 1 /10 6-42 08 / 42 03 zu erfahren.

Artikel vom 13.06.2006