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Reise nach Canossa

Große Mittelalter-Ausstellung im Juli in Paderborn

Von Manfred Stienecke
Paderborn / Bologna (WB). In Paderborn erinnert in diesem Sommer vom 21. Juli bis 5. September eine große Mittelalter-Ausstellung an den Machtkampf zwischen Krone und Papsttum, der im Jahr 1077 seinen Höhepunkt mit dem Bußgang des deutsche Königs Heinrich IV. zu Papst Gregor VII. auf der Burg Canossa erlebte.

Die norditalienische Festung markiert die historische Wende zur Trennung von Kirche und Staat. Einen Bußgang nach Canossa muss heute niemand mehr unternehmen. Aber eine Reise in die romantische Hügellandschaft zwischen der Po-Ebene und dem Apennin-Gebirge wird auch eingefleischten Italien-Freunden vielleicht noch unbekannte, ganz sicher aber reizvolle Aspekte bieten. Bei der Urlaubsfahrt in den Süden an die italienische Adria oder in die Toskana nämlich lassen die meisten Deutschen die »Emilia Romagna« unbeachtet rechts liegen. Dabei lohnt ein kurzer Abstecher nicht nur der Historie wegen.
Kreisstadt der Region mit etwa 450 000 Einwohnern ist Reggio Emilia - mit 140 000 Bewohnern etwa so groß wie Paderborn, die Stadt, in der jetzt für drei Monate das Canossa-Geschehen aufbereitet wird. Ihre Gründung reicht in das zweite Jahrhundert vor Christi Geburt zurück, und die römischen Einflüsse sind nicht nur in der Baugeschichte allenthalben spürbar. Seit dem siebten Jahrhundert ist Reggio Emilia Bischofssitz, und die Kathedrale am Großen Platz spiegelt die Abfolge der Bauepochen von der Romanik über die Gotik, die Renaissance bis hin zum Barock in einem verblüffenden Kaleidoskop unterschiedlicher Stile wider. Wesentlich jünger, dafür kaum weniger spektakulär, bietet sich dem Besucher das 150 Jahre alte Stadttheater mit seinen über vier Etagen reichenden Logen-Galerien dar. Geleitet wird das Opern- und Schauspielhaus von Daniele Abbado, dem Sohn des berühmten Dirigenten Claudio Abbado, dem es gelingt, mit seinen Produktionen das gut 1000 Gäste fassende Theater fast immer bis auf den letzten Platz zu füllen.
Die Region zwischen Parma, Mantua und Modena, durchzogen von Italiens größtem Strom, dem gemächlich fließenden und in den vergangenen Jahren durch verstärkte Umweltmaßnahmen wesentlich sauberer gewordenen Po, lebt von der Maschinen- und Textilindustrie sowie der nach wie vor intensiv betriebenen Landwirtschaft. Seit dem 11. Jahrhundert wird hier Wein angebaut (Lambrusco, Vini Frizzanti), und bekannt ist die Region natürlich durch Käse und Schinken aus Parma sowie den traditionell in Holzfässern gereiften Balsamico-Essig, der sich in zahlreichen Landgütern auch verköstigen lässt. Im Bau befindet sich derzeit eine aufgestelzte Eisenbahn-Schnellstrecke, die entlang der Autobahn A1 die Großstädte Mailand und Bologna in weniger als zwei Stunden verbinden soll - mit dem einzigen Zwischenhalt in Reggio Emilia.
Durch die Po-Ebene führt auch die »Frankenstraße«, ein antiker Pilgerweg von Norditalien nach Rom, auf dem es viel gemächlicher zugeht. Wer ihn befährt, blickt direkt hinter Reggio Emilia auf die Hügelkette des sich auffaltenden Appenin-Gebirges. Viele seiner Bergkegel ziert eine mittelalterliche Burg - gut zwei Dutzend gibt es allein in der Emilia Romagna. Während einige der Festungsanlagen gut erhalten und sorgfältig restauriert sind, ragt von der ehemaligen Burg Canossa nur noch ein Ruinenstumpf in den nicht nur im Herbst und Winter oft von Dunst und Nebel verdeckten Himmel. Vor 20 Jahren hat man aber immerhin ein kleines Museum auf dem Burgberg errichtet, in dem neben Ausgrabungsstücken (Keramik, Münzen, Mosaiken, Kapitelle) auch die Geschichte der Burg dokumentiert wird.
Verehrt wird in der Region die ehemalige Markgräfin Mathilde, die das geschichtsträchtige Treffen des Jahres 1077 zwischen dem König und dem Papst auf ihrer Burg vermittelt hatte. Sie ist neben Christina von Schweden die einzige Frau, die ihre letzte Ruhestätte im Petersdom in Rom gefunden hat - in einem von dem Renaissancekünstler Bernini gestalteten Grabmal. Ihr zu Ehren werden alljährlich in der Region Historienspiele veranstaltet, in der Mathilde hoch zu Ross als geübte Kriegsherrin dargestellt wird. Bekannt geworden ist die Region auch als Kulisse für die Verfilmungen der amüsanten Abenteuer von »Don Camillo und Peppone«. Das historische Canossa findet hier auch heute noch seine Fortsetzung im ewigen Streit zwischen der allgegenwärtigen katholischen Kirche und der nicht minder zähen Kommunistischen Partei Italiens, die nach wie vor Bürgermeister in Städten und Dörfern stellt.
Die Paderborner Volkshochschule bietet vom 1. bis 5. September eine Studienreise (Flug bis Bologna) in die Emilia Romagna mit Aufenthalten in Reggio Emilia, Canossa, Modena und Bologna an.
05251 / 881229www.regione.emilia-romagna.itwww.canossa2006.de

Artikel vom 15.06.2006