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Schärfere Hartz-IV-Sanktionen

Langzeitarbeitslosen droht Streichung des Arbeitslosengeldes II

Berlin (Reuters/dpa). Mit den Stimmen der großen Koalition hat der Arbeitsausschuss des Bundestages gestern schärfere Strafen für Langzeitarbeitslose beschlossen, die nachweislich arbeitsunwillig sind.

Das Arbeitslosengeld II soll in voller Höhe gestrichen werden, wenn ein Leistungsbezieher innerhalb eines Jahres drei Angebote für eine Arbeit oder Qualifizierung ausschlägt. »Wer drei Mal im Jahr Nein sagt, braucht offenbar keine Hilfe«, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Ralf Brauksiepe.
Sein SPD-Kollege Klaus Brandner (Gütersloh) sagte: »Wir wollen keinen Generalverdacht gegen Arbeitsuchende.« Wer aber beharrlich und offenkundig das System missbrauche, der müsse mit der Sanktionsandrohung rechnen.
Die Koalition erwartet von der Korrektur, die heute im Bundestag verabschiedet werden soll, Kosteneinsparungen von 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Dies soll vor allem durch Einschränkung von Leistungsmissbrauch erreicht werden. Vorgesehen sind Sofortangebote an ALG-II-Bezieher zur Überprüfung der Arbeitswilligkeit, Kontrollen durch Außendienstmitarbeiter sowie besserer Datenabgleich zur Aufspürung verheimlichten Vermögens.
Bei unverheiratet zusammenlebenden ALG-II-Empfängern wird unterstellt, dass es sich um eine eheähnliche Gemeinschaft handelt, bei denen die Partner zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet sind. Den Gegenbeweis sollen die Betroffenen künftig selber erbringen.
Der Sprecher des Arbeitsministeriums, Stefan Giffeler, wies darauf hin, es gebe bei der Umsetzung der Regelungen einen Ermessensspielraum. Wenn der Gesetzgeber diesen eng fasse, müsse er von den Behörden vor Ort auch entsprechend angewandt werden.
Künftig sollen bei erstmaliger Weigerung einer Arbeitsaufnahme die Leistungen für ALG-II-Empfänger einschließlich Wohnkosten um 30 Prozent gekürzt werden können, beim zweiten Mal um weitere dreißig Prozent. Beim dritten Mal kann die Leistung komplett gestrichen werden, stattdessen gibt es dann Lebensmittelgutscheine. Bisher konnten die Leistungen nach viermaliger Weigerung gestrichen werden.
Das Arbeitslosengeld II wird nach Angaben der Bundesregierung im Osten wie geplant zum 1. Juli um 14 Euro auf das Westniveau von 345 Euro angehoben.
Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA) Frank-Jürgen Weise sagte gestern in Nürnberg bei der Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen für den Monat Mai, die Details der Hartz-Reformen seien von der Politik beschlossen worden. »Dort liegt die Verantwortung für das, was heute im System passiert.« Die Strukturen bei der Betreuung der Bezieher von Arbeitslosengeld II seien das Ergebnis eines politischen Kompromisses im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Die BA nehme die Kritik des Bundesrechnungshofs an gravierenden Mängeln bei der Umsetzung der Reform an. Es sei gut, dass sich der Gesetzgeber das Gesetz nach so kurzer Zeit wieder vornehme und Korrekturen vornehme, sagte Weise.
Im Zusammenhang mit der wachsenden Kritik an der Arbeit der kommunalen Jobcenter hat BA-Vorstandschef Weise größere Effizienz bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen verlangt. Dazu müssten die an den Jobcentern beteiligten Kommunen bereit sein, regelmäßig Rechenschaft über den Erfolg abzulegen, sagte Weise. Leider gebe es immer noch Städte und Kreise, die gar nicht wüssten, wie effizient ihre Jobcenter arbeiteten.

Artikel vom 01.06.2006