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Bertelsmann ist 18 Milliarden Euro wert

GBL verhandelte hart -ÊRekordgewinn ermöglicht Güterslohern schnelle Schuldentilgung

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh (WB). Nicht die Nachricht, wohl aber der Zeitpunkt hat überrascht: Am Feiertag Christi Himmelfahrt gab Bertelsmann den Rückkauf aller Aktien von GBL bekannt.

Rund um die Gesellschafterversammlung, die am vergangenen Montag in Gütersloh stattgefunden hat, ist die Gerüchte- und Spekulationsküche wieder übergekocht. Der Grund: Am Tag nach diesem Termin konnte der Bertelsmann-Miteigentümer Groupe Bruxelles Lambert (GBL) erstmals auch formal den Börsengang der AG verlangen. Das er dies tun würde, hatte der starke Mann der Investorengruppe, der 80-jährige Belgier Albert Frère, bereits am Jahresanfang 2006 bekanntgegeben. Damals hatte er die Gütersloher ziemlich überrascht. Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, erklärte bis dahin stets, GBL verspüre angesichts guter und ständig wachsender Rendite seines Investments keine Neigung, seinen Anteil von 25,1 Prozent wegzugeben.
Jetzt, so scheint es, sieht Frère im Zementgeschäft, in das er offenbar einen Großteil der Überweisungen aus Gütersloh investieren will, bessere Rendite-Chancen. Vielleicht erkannte der schlaue Belgier aber auch nur, dass die Zeit für einen Ausstieg aus dem Bertelsmann-Investment jetzt besonders günstig war. Die 4,5 Milliarden Euro liegen eher an der Obergrenze dessen, was er erwarten konnte. Die Stimmung an den Börsen ist schwer vorhersehbar. Wer weiß, ob er im Frühjahr 2007 eine ähnlich hohe Summe hätte erlösen können. Übrigens gibt es damit seit diesem Donnerstag auch eine Kennzahl für den Gesamtwert der Bertelsmann AG: etwa 18 Milliarden Euro.
Thielen und sein Finanzvorstand Thomas Rabe sehen trotzdem das weitere Wachstum von Bertelsmann durch diese hohe Zahlung nicht gefährdet. An den für 2006 geplanten Investitionen in Höhe von 800 Millionen Euro werde nichts gekürzt. Allerdings stehe vorübergehend auch kein Geld für größere Firmenkäufe zur Verfügung.
Einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung soll der Verkauf des Musikverlags BMG Music Publishing bringen. Der Auktionsprozess wird im Juni beginnen. Trotzdem wird der Schuldenberg von derzeit 3,9 Milliarden Euro vorübergehend auf gut acht Milliarden ansteigen. Der so genannte »Leverage-Faktor«, also das Verhältnis der wirtschaftlichen Finanzschulden zum operativen Gewinn, erhöht sich vorübergehend von derzeit 2,3 auf 3,4. Schon Ende 2007 jedoch soll, sagte Rabe, dank hoher Gewinne und der zurückhaltenden Dividendenpolitik das bisherige Verhältnis wieder hergestellt sein.
»Selbstbewusst auf gewachsenen Traditionen aufbauend«: So beschrieb Thielen den weiteren Bertelsmann-Weg. Ohne »Aktionäre, die heute kommen und morgen gehen«, könne der Konzern aus eigener Kraft und durch Zukäufe weiter jährlich um fünf bis acht Prozent wachsen. Für 2006 erwartet er einen neuen Rekordgewinn. Das hätte natürlich auch GBL gewusst. Die Verhandlungen, die in den vergangenen Monaten mit Wissen und Rückendeckung von Liz Mohn geführt wurden, seien deshalb sehr hart gewesen.

Artikel vom 27.05.2006