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Gruppe A: Ecuador

Spielen, solange die Puste hält

Das Erfolgsrezept Ecuadors für die zweite WM-Teilnahme
in Folge war die dünne Luft. Denn diese herrscht in der Hauptstadt Quito. Doch in Deutschland ist vieles anders.


Sieben Siege landete das Team von Trainer Luis Fernando Suarez in der Quali daheim, bezwang auch Brasilien 2850 Meter über dem Meeresspiegel. Statt dünner herrschte in den Wochen vor der Ankunft in Bad Kissing am Montag aber dicke Luft: Der Teamkoordinator und der Mannschaftsarzt sitzen im Knast, die Erfolge blieben aus: 0:1 gegen Japan, 1:1 gegen Kolumbien, 1:2 gegen Mazedonien.
Dennoch sind die Fans in Ecuador euphorisch: Mehr als 40 Prozent von ihnen glauben gar an den Titel. Das sagt zumindest eine Umfrage des ecuadorianischen Verbandes. Diese Vorfreude bei Deutschlands letztem Gruppengegner überlagerte die Negativschlagzeilen.
Trotz der fehlenden Höhenluft sehen sich die Südamerikaner nicht als Außenseiter. »Wer erwartet, dass es zwischen uns und Costa Rica nur um den dritten Platz geht, macht einen Fehler«, sagt Suarez, der seinen Spielern vor der WM Enthaltsamkeit verordnete. »Mein Traum ist das Viertelfinale.« Die meisten der 23 Kicker Ecuadors spielen in der heimischen Liga, nur zwei sind in Europa am Ball. Suarez sieht dies nicht als Nachteil, auch wenn damit die Erfahrung mit dem europäischen Fußball fehle.
Der 46-Jährige setzt auf das Kollektiv und gibt sich selbstbewusst: »Deutschland ist Gruppenfavorit. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern, wollen alle drei Gegner schlagen.« 23 000 Euro bekäme jeder Spieler dann ausgezahlt. Augustin Delgado, der seit dem ersten WM-Treffer für Ecuador 2002 ein Nationalheld ist, lehnt sich noch weiter aus dem Fenster: »Finaleinzug - warum nicht?«
Doch in Ecuador steht den Utopisten eine gleich große Anzahl Realisten gegenüber: 40 Prozent meinen, dass spätestens im Achtelfinale Schluss sei. Vielleicht haben sie sich aber auch einfach über Berlin schlau gemacht, dem Austragungsort des Duells mit Deutschland. Denn dort misst die höchste Erhebung, der Teufelsberg, lediglich 114,7 Meter. Mal schauen, wem in der Berliner Luft zuerst die Puste ausgeht.

Ein Beitrag von
Lars Rohrandt

Artikel vom 02.06.2006