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Aus der »Zeit«

»Hilfe, die Gäste kommen! Noch bis zum Anpfiff der Fußball-WM arbeiten die Deutschen an ihrem Bild.«

Leitartikel
Kampagnen und Schlechtredner

»Acker«, Heye
und
die Folgen


Von Rolf Dressler
Man erinnert sich. Es ist ja noch gar nicht so lange her. Obwohl: Vielen mögen die Monate, die seither ins Land gegangen sind, schon wie eine kleine Ewigkeit erscheinen.
Vor Jahresfrist noch, anno 2005 also, träumte ein gewisser Alt-Fußballer aus dem lippischen Örtchen Talle, den seine wackeren Mannschaftskameraden auf den heimischen Bolzplätzen dermal-einst stets nur treffend »Acker« gerufen hatten, einen wahrhaftigen Lebenstraum. Gerhard Schröder, seinerzeit beinahe unumschränkter Regierungslenker im Berliner Bundeskanzleramt, setzte mit aller Energie auf eine ganz persönliche vermeintliche Mega-Trumpfkarte.
Als Vorstandsvorsitzender der von ihm geführten »Deutschland AG« fühlte er sich ja ohnehin schon längst. Doch nun sollte die Riesenwelle der Begeisterung um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 - das war Schröders Kalkül und für ihn eigentlich schon so gut wie ausgemacht - ihm zu einer weiteren, der dritten Amtsperiode, verhelfen. Indes, die Rechnung ging, wie wir wissen, nicht auf. Denn die vorgezogene Bundestagsneuwahl im September 2005 brachte statt seiner Angela Merkel ins Kanzleramt. Nichts war es plötzlich mehr mit der ebendort noch anno 2004 ausgedachten Großkampagne vom »FC Deutschland 06« mit dem Polit-Bundestrainer Schröder an der Spitze. Der Erfinder der Zukunfts-»Agenda 2010« hatte insgeheim wohl schon auf höheren Ruhm in den Geschichtsbüchern von morgen und übermorgen gehofft. Aber über Nacht war er aus dem Spiel.
Inzwischen nun dreht sich die Kampagnen-Welt munter weiter. Das WM-Veranstalterland möchte sich nach innen und nach außen positiv einstimmen. Da tritt selbst die Aktion »Du bist Deutschland« in den Hintergrund gegenüber dem WM-Einladungsmotto »Die Welt zu Gast bei Freunden«.
Wenn, ja, wenn da nicht diverse deutsch-typische Geisterreiter umherfuhrwerken und gründlich dazwischenfunken würden. Wie zum Beispiel der frühere Sprecher der rot-grünen Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye. Wer wie dieser weitgereiste Mann in Deutschland allen Ernstes regelrechte Nicht-Betretungszonen für ausländische WM-Fußball-Fans einrichten will, kann wachen Auges eigentlich noch nie in New Yorks Bronx, in Sao Paulo, Moskau, Kapstadt, Bangkok oder in einem der vielen anderen, gerade für Ausländer tatsächlich lebensgefährlichen Elends- und Kriminellenvierteln dieser Welt gewesen sein. Denn im Vergleich damit ist Deutschland - trotz einzelner verwerflicher Auswüchse - gottlob (noch immer) ein Hort des Friedens.
Was also außer Geltungssucht treibt solche Schlechtredner an, die es bei uns leider reichlich gibt? Selbstbezichtigung und Nachtreten scheinen eine deutsche Krankheit zu sein und zu bleiben. Nicht nur vor Fußballweltmeisterschaften, sondern leider auch danach.
Es wäre deshalb schon ein echter Zugewinn, sollten die WM-Wochen vom 9. Juni bis zum 9. Juli 2006 uns und die Mitwelt eines Besseren belehren.

Artikel vom 31.05.2006