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Gruppe e: Italien

Allein gegen alle Welt

Vom Titelgewinn bis zum Vorrunden-Aus ist für die Squadra Azzurra alles drin. Doch interessiert in der Heimat die WM wirklich mehr als der Liga-Skandal?


Am 20. Juli, so verlautete jetzt, werde die Sportjustiz des Landes urteilen. Vereinsbosse, Manager, Spieler, Schiedsrichter - ja vielleicht sogar die Mafia direkt: Wer wirklich alles mitgemischt hat im italienischen Manipulationsskandal, lässt sich noch gar nicht sagen.
Doch die Machenschaften des ehemaligen Juve-Managers Moggi haben die Nationalmannschaft schneller erreicht als erwartet. Trainer Marcello Lippi darf nach einer Ehrenerklärung seitens des Verbandes zwar vorerst seinen Job weiter ausüben, muss aber ständig neue Enthüllungen befürchten.
Fünf Juve-Stars stehen in seiner Stammformation, außer Fabio Cannavaro und Gianluca Zambrotta auch Torhüter Gianluigi Buffon, der in heimliche Wetten verstrickt sein soll, Mauro Camoranesi und Alessandro Del Piero. Sie alle dürften jetzt bereits überlegen, wie es nach der WM weitergeht, wenn Rekordmeister Juventus Turin tatsächlich aus der ersten italienischen Liga ausgeschlossen würde.
Für Ablenkung im WM-Stress ist also reichlich gesorgt. Dabei ist die Squadra Azzurra so gut besetzt wie lange nicht mehr und der dritte WM-Titel nach 1934 und 1982 durchaus machbar.
Hinten weiß sich ohnehin jeder Italiener zu helfen - aber diese Ansammlung von Stürmerstars ist schon außergewöhnlich: Gilardino, Toni und del Piero sind erste Wahl, wovon sich die deutschen Abwehrspieler beim 1:4-Fiasko in Florenz im Frühjahr überzeugen konnten. Dahinter brennen mit Bayern-Schreck Inzaghi und dem jungen Iaquinta weitere Angreifer darauf, es der ganzen Welt zeigen zu können.
Allein gegen alle - das ist wohl die große Motivation, die Trainer Lippi suchen wird. Kann er damit die Individualisten zu einem Team zusammenschweißen, könnten seine Mannen schließlich doch im Triumphzug über die Alpen in die Heimat zurückkehren.
Das wäre es, was der auch von einem exorbitanten Zuschauerschwund geplagte »calcio« gut gebrauchen könnte. Ob die FIFA aber über einen Weltmeister aus dem Land der Skandale glücklich wäre, stünde auf einem andern Blatt. Die Tifosi würden ihren Lieblingen dann jedoch (fast) alle Sünden verzeihen. tip

Artikel vom 02.06.2006