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Zu Christi Himmelfahrt

Von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs


Die »Himmelfahrt« Jesu hat ja eigentlich etwas mit Gott zu tun. Auf jeden Fall ist es Jesus, der Gottessohn, um den es auf den ersten Blick geht. Er verließ seine Jünger, d.h.: die Erscheinungen des Auferstandenen enden mit diesem Moment. Er hatte seine Gefährten und die ersten Gläubigen danach nicht gefragt, keine Erlaubnis eingeholt. Er entzog sich einfach ihren Blicken. Sie blieben allein zurück.
Aber es blieb eine Einschätzung Jesu dazu im Raum stehen, die bis heute wert ist, dass wir sie auf uns wirken lassen. Er sagte nämlich diesen einfachen Satz dazu: »Es ist gut für euch«! Genauer lautet der Satz: »Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe.« (Joh 15,7)
Was kann daran gut sein? Wozu kann es gut gewesen sein, wozu könnte es bis heute gut sein? Ist es für mich gut?
Das Beste wäre, Sie würden jetzt diese Zeilen erst einmal weglegen und für sich allein weiterdenken. Denn alle Antwortversuche sind persönlich geprägt und keine objektiven Gründe. Wozu ist das Verschwinden der letzten direkt mit der Menschwerdung Gottes zusammenhängenden Anwesenheit Jesu gut für mich bis heute?
Eine Antwort gibt Jesus selbst. Sie kreist um den »Geist«. Er sagt: »Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.« Was könnte dies bedeuten?
Der Geist ist ja der Geist Gottes selbst. Es ist eine göttliche Person, eine Ausdrucksweise desselben Gottes. Wenn Jesus aber erst mit seinem Weggang den Geist senden kann, dann bedeutet dies möglicherweise, dass die Weisen der Gotteserfahrung und der Beziehungen zu Gott sich in gewisser Weise gegenseitig verdecken. Diese Deutung sind dürre und hilflose Worte, denn es geht immer gleichzeitig um die unendlichen Möglichkeiten Gottes. Aber Jesus will doch wohl offensichtlich sagen, dass wir Menschen, so lange wir an der Menschwerdung Gottes hängen bleiben, die Geistkraft desselben Gottes nur bedingt wahrnehmen können.
Stimmt das? Meiner Einschätzung nach stimmt es tatsächlich. Dass Gott Mensch wurde, ist ein unendliches Geschenk. Es ist eine Form von Nähe Gottes, eine Konkretisierung seiner Liebe, die alles bis dahin Bekannte übersteigt. Aber sie kann auch anderes überlagern. Die große Weite der Anwesenheit Gottes in allen denkbaren Bereichen der Wirklichkeit, seine ewige Unerreichbarkeit, seine Unerkennbarkeit - all das steht plötzlich im Hintergrund. Man kann Gott verengen, wenn man ihn nur auf das Gesicht Jesu oder gar auf das Gesicht des Jesuskindes reduziert. Der Geist ist also tatsächlich gut für uns. Es ist gut für uns, noch einmal neu nachzudenken. Es ist gut für uns, Gott noch unendlich viele Anwesenheiten und Ausdrucksweisen in unserer Welt zuzutrauen.
Es könnte aber noch einen zweiten Grund dafür geben, dass Jesus dies so ausdrückt. Denn es fällt auf, dass die Himmelfahrt auch der Moment der Sendung der Jünger ist. Vorher waren sie offensichtlich auf das Wirken Jesu selbst fixiert. Sie wollten von ihm lernen, aber sie nahmen die Verkündigung noch nicht selbst in die Hand. Sie hatten auch nur begrenzt angefangen, selbst Wunder wirken zu wollen. Diese Worte mögen hochfliegend klingen - aber genau dies begann in großem Stil genau nach dem Weggang Jesu und der Geistsendung an Pfingsten. Nachzulesen sind solche Ereignisse in der Apostelgeschichte.
Also war es auch aus diesem Grund gut für die Menschen: Sie wurden darauf gestoßen, selbst handeln zu müssen. Es war gut für das Gesicht unserer Welt. Vieles haben Christen seit damals in dieser Welt gestaltend gewirkt. Bis heute bleiben Himmelfahrt und Pfingsten deshalb die Momente, an denen sich der Blick nach Ostern wieder auf die konkrete Umsetzung christlicher Überzeugungen im Alltag richtet. Und das ist sicher sehr gut für mich, für uns und für die Welt.

Artikel vom 25.05.2006