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Die WM-Stadien zählen zu den besten der Welt

Die größte Sorge der
Fans sind freie Plätze

Ein undichtes Dach in Frankfurt. Risse auf dem Betzenberg. Ein Hüpftest in Nürnberg. Doch mal abgesehen von ein paar kleinen Pannen im Vorfeld zählen die Stadien der WM 2006 zu den besten der Welt. Hauptsache, sie sind bei den 64 Spielen auch immer voll besetzt. Alles eine Frage der Organisation.


Denn paradox ist: Obwohl die Ticketnachfrage für die Spiele der Weltmeisterschaft die Kapazität in den Stadien um ein Vielfaches übersteigt, drohen leere Plätze.
Der Grund: Der Anteil der Eintrittskarten für Sponsoren und nationale Förderer ist so hoch (etwa 550 000 insgesamt), dass niemand überblicken kann, was mit den Karten passiert. Einige fließen über Gewinnspiele wieder an die Allgemeinheit zurück. Und die anderen?
Ein Beispiel: Sponsor XY bedankt sich bei einem guten Kunden für die tolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre mit einem Ticket fürs Vorrundenspiel Angola gegen Iran. Jetzt bleibt es dem Kunden überlassen, nach Leipzig zu fahren oder sich das Spiel lieber im Fernsehen oder gar nicht anzusehen. Und die Karte? Hat ja nichts gekostet. Aus dem Bekanntenkreis will auch niemand hin. Das Ticket verfällt, der Platz im Stadion bleibt frei. Das Schlimmste: Am Spieltag hocken vor den Kassenhäuschen etliche traurige Iraner und Angolaner, die keine Karte mehr bekommen haben, weil das Stadion vermeintlich ausverkauft ist.
Mit der Attraktivität der Spiele erhöht sich natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass das Stadion tatsächlich voll besetzt ist. Das Problem ist die Vorrunde. Denn die hat noch einige Kracher à la Angola gegen Iran mehr zu bieten.
Dass dieses Szenario, das jedem Fußballfan die Tränen in die Augen treibt, nicht so fern liegt, haben die vergangenen Turniere gezeigt. Egal ob bei der EM 2004 in Portugal oder der WM 2002 in Japan und Südkorea: Viele Plätze in den Stadien blieben frei, obwohl draußen immer das »Ausverkauft«-Schild hing. Bleibt zu hoffen, dass es dem Organisationskomitee (OK) bei dieser WM besser gelingt, die Arenen auszulasten. Immerhin sind 95 Prozent der Karten bereits verkauft.
In den letzten Tagen bis zur Eröffnung werden die Stadien unter Hochdruck turniertauglich gemacht, damit sie den Ansprüchen der FIFA genügen. Denn die hat seit kurzem in allen zwölf Arenen das Hausrecht. Nach der offiziellen Abnahme durch das WM-OK wechseln die acht nach einem Unternehmen benannten Spielstätten für die Dauer des Turniers auch ihre Namen. So wird zum Beispiel aus der Allianz-Arena das FIFA WM-Stadion München.
Auf 141 Seiten hat die FIFA in einem Pflichtenheft die Anforderungen bei der Umgestaltung aufgelistet. In München sind 300 Handwerker damit beschäftigt, die Vorgaben umzusetzen. »Der finanzielle Aufwand ist immens«, sagt Arena-Betriebsleiter Jürgen Muth. Er könnte sich aber lohnen. Denn 15 Prozent der Zuschauereinnahmen fließen als Miete von der FIFA in die Kasse.
Davon müssen die Münchener allerdings den 100 000 Euro teuren Wechsel der Spielfläche bezahlen. Die FIFA hat allen Stadien ein einheitliches Grün verordnet, daher musste der Arena-Rasen zum dritten Mal seit der Eröffnung vor einem Jahr ausgetauscht werden. »Das war nicht in meinem Sinne. Der alte Rasen war besser«, moniert Arena-Geschäftsführer Peter Kerspe.
Optimale Bedingungen sollen auch die Journalisten aus aller Welt vorfinden. Als Test für die Fernsehkameras wird am 4. Juni in München extra ein Juniorenspiel veranstaltet.
Auch in Fragen der Sicherheit überlässt der Weltverband nichts dem Zufall. Spaziergänge rund ums Stadion sind bei der WM ausgeschlossen. Der äußere Sicherheitsring beginnt weit vor der Arena, das Gelände wird derzeit komplett eingezäunt.
Gleich neben der Arena entsteht auf 14 000 Quadratmetern ein Hospitality-Bereich für bis zu 7000 Ehrengäste und Sponsoren.
Im Stadion werben dürfen jedoch nur die offiziellen FIFA-Partner. Darum kleben die Handwerker Werbebanner an Monitoren und Zapfhähnen ab, entfernen Banden und Werbetafeln. Schon vor Wochen wurde der riesige Schriftzug »Allianz Arena« abmontiert. Auch Fangnetze, Eckfahnen und Tore werden auf Wunsch der FIFA ausgetauscht.
Über Sinn und Unsinn einiger FIFA-Maßnahmen lässt sich streiten. Darüber, dass die meisten der zwölf Stadien alles bieten, damit sich der Zuschauer wohl fühlt, dagegen nicht. Überall sitzen die Fans im Trockenen, alle Arenen werden ausschließlich mit Sitzplätzen ausgestattet. Darunter leidet zwar allerorten die Kapazität, Sicherheitsgründe machen diese Maßnahme aber notwendig und werden der Stimmung keinen Abbruch tun.
Ganz im Gegensatz zu den Laufbahnen, die die Rasenflächen in Berlin, Nürnberg und Stuttgart umgeben. Darum bleibt allen voran den kroatischen Fans zu wünschen, dass ihre Mannschaft ins Achtelfinale einzieht. Denn Kroatien ist die einzige aller 32 Mannschaften, die alle drei Gruppenspiele in Stadien mit Laufbahn austrägt.

Ein Beitrag von
Dirk Schuster

Artikel vom 02.06.2006