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Gruppe h: Spanien

Der Kapitän macht Sorgen

Eines macht der Spanier noch lieber als Fußball spielen - reden. Und in Sachen Nationalmannschaft gibt es derzeit sogar reichlich kontroverse Themen. Im Zentrum: Kapitän Raul.


Der Nationalmannschafts-Kapitän ist zwar Spaniens Rekord-Torschütze (42 Tore in 92 Länderspielen), aber dennoch kein Fixpunkt im Kader von Nationaltrainer Luis Aragones. Wegen einer schweren Meniskusverletzung war der 28-Jährige bei Real Madrid monatelang ausgefallen, kam nur auf sieben Saisontore. Das letzte schoss er am 26. Oktober 2005.
Raul kann die Statistik nicht beschönigen, »ein so negatives Jahr hatte ich ja noch nie in meiner Karriere«. Eine Karriere jedoch, in der in den vergangenen Spielzeiten alles ein bisschen weniger wurde - die Titel, vor allem aber auch die Tore: 36 Treffer schoss er 2001/02 in 64 Pflichtspielen, ein Jahr später waren es noch 29, dann 26. In der Saison 2004/05 waren es nur noch 16 Tore; die Sportzeitung »AS« rechnete dem »Königlichen« dann auch prompt vor, dass er zuletzt nur noch alle 306 Minuten ins Tor traf.
»Meine Herausforderung ist die Weltmeisterschaft in Deutschland«, kontert Raul, »und dank meiner Verletzungspause habe ich nicht so viele Spiele in den Knochen. Ich fahre so fit zu einem Turnier wie nie zuvor in meinem Leben.«
Diese Fitness, verbunden mit Toren, wird der Angreifer in den Trainingslagern demonstrieren müssen - denn Trainer Aragones hat Mühe, in seiner WM-Elf einen Platz für den Kapitän zu finden, der in der WM-Qualifikation als hängende Spitze hinter Fernando Torres (Atletico Madrid) spielte. Doch weil Aragones nun eine 4-3-3-Formation favorisiert, fällt diese Position weg. Im Training wurde zeitweise mit Raul in einem Dreier-Mittelfeld geprobt, die meiste Zeit aber hielt sich der Real-Star in der B-Elf auf.
Dort fand er sich auch beim Testspiel gegen Russland (0:0) wieder. Raul und auch der lange Zeit verletzte Regisseur Xavi (FC Barcelona) begannen die Partie lediglich als Ersatzspieler, wurden von Aragones erst nach der Halbzeitpause eingewechselt, konnten aber keine Besserung ins Spiel bringen. In der zweiten Hälfte berannten die Spanier zwar fast pausenlos das Tor der Russen, waren im gegnerischen Strafraum aber mit ihrem Latein am Ende Ñ und das gegen eine harmlose Mannschaft, die sich für die WM in Deutschland nicht hatte qualifizieren können.
Entsprechend hart reagierte die heimische Presse auf den Auftritt der Iberer: »Ein gescheiterter Test«, titelte »El Pais«, und »As« reklamierte: »Spanien blind im Abschluss.« »Marca« warnte vor Panik, stellte aber fest: »Das Team versuchte alles, aber fast alles misslang.«

Artikel vom 02.06.2006