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»Frohe Botschaft für unser Leben«

Geistliches Wort zu Christi Himmelfahrt von Weihbischof Matthias König

Weihbischof Matthias König, Paderborn.

Liebe Leserin, lieber Leser!
»Ich bin durch die Hölle gegangen.« Nicht nur in dramatischen Filmen hören wir manchmal diese Worte. Auch Menschen, die auf eine schwere Krankheit zurückblicken, auf eine Ehekrise oder zerbrochene Beziehung, auf ein Tief im Berufsleben, sagen es manchmal so: »Ich bin durch die Hölle gegangen.«
Wer so etwas äußert, hat allerdings schon wieder Abstand zu diesen schwierigen Zeiten gewonnen, kann zurückschauen und feststellen, dass er die »Hölle« hinter sich gelassen hat: »Ich bin durch die Hölle gegangen - aber ich habe es geschafft.«
Manchmal denke ich, dass nur derjenige, der durch die Hölle gegangen ist, wirklich weiß, was Himmel ist. Natürlich, wir sind im alltäglichen Sprachgebrauch schnell bei der Hand, vom Himmel zu sprechen: »Es war himmlisch«, sagen wir, wenn uns jemand nach dem Festessen fragt. »Ich fühle mich wie im siebten Himmel«, so klingt es aus dem Mund von frisch Verliebten. »Der Himmel auf Erden« ist für manchen der Urlaub gewesen, der eigene Garten, die Terrasse, das private Refugium, in das man sich aus all dem Alltagsstress zurückziehen kann.
Doch all diese »Himmel« sind wenig beständig und dauerhaft. Im Urlaub reicht ein Regentag, ein missratenes Essen, eine Enttäuschung - und der Erholungshimmel zerschellt an der Wirklichkeit. Verliebte werden schnell aus dem siebten Himmel auf die Erde geholt, wenn der Alltag an der Beziehung nagt. Und das private »Himmelreich« kann sehr schnell zur sehr persönlichen Hölle werden, wenn es Probleme gibt.
Ich will es gar nicht gegeneinander aufwiegen: Aber solche »Hölle-Erfahrungen« sind für uns meistens viel massiver und einprägsamer als die »himmlischen Momente«. Dabei sind es in der Regel Menschen selber, die anderen das Leben zur Hölle machen. Denken Sie nur an die Situation im Irak: Dort finden sich die amerikanischen Soldaten und ihre Verbündeten seit Jahren schon in einer Hölle aus Terror, Tod und Kampf wieder - und die Mächtigen sind hilfloser denn je. Die Leidtragenden sind die Menschen vor Ort, für die es seit Jahren keine Sicherheit und Normalität gibt, für die es auch in Zukunft fraglich bleibt, wann es je wieder Stabilität geben wird. Millionen Menschen, nicht nur dort, erleben Hölle.
Muss man erst durch die Hölle gegangen sein, um wirklich zu ermessen, was Himmel ist. Unsere menschliche Erfahrung geht in diese Richtung. Denn wem es wirklich schon einmal schlecht ging, der weiß das Gute erst richtig zu schätzen.
Das Fest Christi Himmelfahrt bereichert dieses Erleben durch eine Grundaussage des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Dort hieß es bis vor ca. 30 Jahren: »Hinab gestiegen in die Hölle, aufgefahren in den Himmel.« Die neuere Übersetzung hat es ein wenig geglättet. Sie spricht vom »Reich des Todes«, doch gemeint ist dasselbe: Jesus Christus, Gottes Sohn, ist für uns durch die Hölle gegangen. Er ist in das Reich des Todes hinab gestiegen, um den Tod dort ein für allemal zu besiegen.
Die Oster-Ikonen der Ostkirche zeigen das eindrucksvoll: Dort steht der Auferstandene auf den zerbrochenen Türen der Unterwelt, die sich als schwarzer Abgrund unter ihm erstreckt. Er ergreift die Hand von Adam und Eva und nimmt sie aus dem Totenreich mit empor zu Gott. Sein Abstieg ist die Bedingung für den Aufstieg der Menschen aus all den Höllen des Daseins in den Himmel der Gotteswirklichkeit.
Das ist also für den gläubigen Menschen der Weg, auf dem wir Jesus Christus folgen können, ein Weg, der immer beide Bewegungen umfasst: Abstieg und Aufstieg. Das ist unsere Richtung, der fast jedes menschliche Leben folgt: Immer wieder gibt es die Abstiege, gibt es die kleinen und großen »Höllen« des Lebens. Doch durch alle Höllen hindurch finden wir mit Christus immer wieder hinaus und hinauf.
Christi Himmelfahrt bringt uns dies als Frohe Botschaft für unser Leben: Unsere Berufung ist es, uns aus allen Abstiegen herausrufen zu lassen, um mit Christus aufzusteigen. Seine Hand ist auch zu uns hin ausgestreckt. Wenn wir sie ergreifen, werden wir erleben, wie er uns mitnimmt und emporzieht. Sein Himmel wird dann auch unser Himmel sein.

Artikel vom 25.05.2006