25.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Alleingang ist auch eine Option

Frankfurt setzt jedoch weiter auf eine Fusion mit der Vierländerbörse

Frankfurt (dpa). Die Deutsche Börse kämpft weiter um eine Fusion mit der Vierländerbörse Euronext. »Durch die Kombination von Deutscher Börse und Euronext würde die erste wirklich europaweite Börsenorganisation geschaffen, die einen globalen Führungsanspruch erheben kann«, sagte der Vorstandsvorsitzende Reto Francioni auf der Hauptversammlung vor 650 Aktionären.

Das Euronext-Management hatte am Dienstag das konkurrierende Übernahmeangebot der New York Stock Exchange (NYSE) als vorteilhafter für ihre Aktionäre bezeichnet.
Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Kurt Viermetz sagte, unter bestimmten Umständen könne Euronext-Chef Jean-François Théodore bis zum Jahr 2008 alleiniger Vorstandschef des neuen Unternehmens sein. Dies habe er der Euronext in einem Brief mitgeteilt. Bislang war eine gemeinsame Führung vorgesehen, die später an Francioni übergehen sollte.
Sollte die Fusion nicht gelingen, werde die Deutsche Börse ihr Wachstum - gegebenenfalls auch mit anderen Zukäufen - trotzdem fortsetzen, sagte Viermetz. Speziell sprach er den Zusammenschluss mit deutschen Regionalbörsen an. Auch Vorstandschef Francioni sagte: »Uns stehen viele Optionen offen.«
Zu der Frage eines Aktionärs, ob die Euronext mit ihrer Haltung nur den Preis hochschaukeln wolle, äußerte sich Francioni nicht direkt. Es werde keine Fusion um jeden Preis geben. Nach einem Bericht des »Daily Telegraph« prüft die Deutsche Börse, ihr Angebot aufzustocken. Die Euronext besteht aus den Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon sowie einem Terminmarkt-Ableger in London.
Die Deutsche Börse betonte zugleich, dass sie an ihrem integrierten Geschäftsmodell mit Aktienhandel und Abwicklung festhalten wolle. Dies sei in der Vergangenheit erfolgreich gewesen und biete Wachstum. Auch in anderen Ländern wie Italien oder Spanien seien Handel und Abwicklung unter einem Dach. Die EU-Kommission sieht darin eine Gefahr für den Wettbewerb. Auch einige Euronext-Aktionäre sind für eine Aufspaltung, damit bei einer Fusion die Deutsche Börse nicht auf Grund ihrer Größe dominiert.
Auf harte Kritik stießen die Hedgefonds, die 2005 die Übernahme der Londoner Börse LSE durch die Deutsche Börse verhinderten. Diese Fonds hätten erheblich zu der schwierigen heutigen Lage beigetragen, kritisierte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Klaus Nieding, unter dem Beifall zahlreicher Aktionäre.
Bei der LSE ist inzwischen die US-Technologiebörse NASDAQ mit 25 Prozent eingestiegen. Die Deutsche Börse hat das zunächst für den Kauf der LSE vorgesehene Kapital inzwischen auf Druck der Eigentümer größtenteils durch Aktienrückkäufe ausgeschüttet. »Die Kriegskasse der Deutschen Börse ist von den Hedgefonds geplündert worden«, sagte Nieding am Rande der Hauptversammlung.
Das Angebot der Deutschen Börse sieht einen partnerschaftlichen Zusammenschluss mit der Euronext vor. Demnach würden die Aktionäre der Euronext zusammen 76,60 Euro in bar und Aktien des neuen Unternehmens für jeden Euronext-Anteilsschein erhalten. Nach den Frankfurter Vorschlägen soll die Hauptverwaltung und das Termingeschäft in Frankfurt liegen, der juristische Sitz in Amsterdam. Paris würde zur Zentrale für den europäischen Aktienhandel ausgebaut.

Artikel vom 25.05.2006