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Glücksspiel in Monte Carlo

Formel 1: Qualifikation wird zum Krimi - Gedränge auf dem engen Kurs

Monte Carlo (dpa). Die einen erwarten die »Hölle«, andere einen Thriller: Mit gemischten Gefühlen blicken Formel-1-Piloten und Teamverantwortliche auf die Qualifikation am heutigen Samstag zum »Großen Preis von Monaco«.
Dank des neuen Modus wird das Ausscheidungsfahren um die besten Startplätze auf den engen Straßen im Spielerparadies Monte Carlo zu einem reinen Glücksspiel. »Da ist man ruck zuck weg vom Fenster«, sagte Rekord-Weltmeister Michael Schumacher.
In den ersten 15 Minuten der Qualifikation sind alle 22 Fahrer auf der Strecke und bestrebt, eine schnelle Runde hinzubekommen. Im zweiten Abschnitt sind immerhin noch 16 Piloten unterwegs. Auf den engen Straßen des 3,34 Kilometer langen Kurses durch die Häuserschluchten des mondänen Fürstentums ist das Überholen kaum möglich. Wer für eine schnelle Runde unterwegs ist und auf einen langsamer fahrenden Kollegen trifft, hat ein Problem. Denn wer nicht rechtzeitig eine schnelle Zeit hinlegt, scheidet früher als erhofft aus und findet sich am Sonntag (14.00 Uhr/RTL und Premiere) weit hinten wieder.
»Es ist schnell möglich, dass man beim ersten wie auch beim zweiten Versuch plötzlich ohne Zeit dasteht und es aus ist«, meinte Ferrari-Pilot Michael Schumacher. »Da hilft kein Jammern. Da muss man sehen, dass man halbwegs durchkommt, und das Glück hat, dass man niemanden trifft«, sagte sein Bruder und Toyota-Fahrer Ralf Schumacher. Honda-Fahrer Rubens Barrichello plädierte für Monaco für ein anderes System: »Vermutlich werden sich gerade einmal fünf Prozent von uns hinterher nicht über das Qualifying beschweren.«
»Das wird die Hölle«, meinte BMW-Sauber-Fahrer Jacques Villeneuve. Zumindest für die Zuschauer wird es unterhaltsam. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug rechnet mit einem »Thriller, den wir in dieser Saison und in den vergangenen Jahren bislang noch nicht gesehen haben. Wir können eine durchmischte Startaufstellung mit überraschenden Positionen erwarten«.
Auf keiner Strecke in der Formel-1 ist es so wichtig, in der Startaufstellung möglichst weit vorn zu stehen. »Wenn man in der Qualifikation nicht unter den besten Fünf ist, dann kann man das Podium vergessen. Sie ist der Schlüssel zum Rennen«, meint Weltmeister und Renault-Pilot Fernando Alonso. Der eindeutige Beleg dafür ist das Vorjahr: Sieger Kimi Räikkönen war im vergangenen Jahr in seinem McLaren-Mercedes von der Pole Position ins Rennen gegangen.
Die Rennstrecke in Monaco lebt von ihrem Mythos, ist jedoch längst nicht mehr zeitgemäß und risikoreich. »Dafür ist der Spaßfaktor um so größer«, sagt BMW-Sauber-Pilot Nick Heidfeld. Während hochmoderne Anlagen in Malaysia, Bahrain und Schanghai entstanden sind und etliche Strecken modernisiert wurden, ist der Kurs in dem nur 1,95 Quadratkilometer großen Fürstentum seit Jahrzehnten nahezu unverändert. Es gibt kaum Auslaufzonen, überall Leitplanken und einen Tunnel, durch den die Fahrer beinahe im »Blindflug« rasen. »Rennfahren in Monaco ist wie Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer«, sagte Ex-Weltmeister Nelson Piquet einst.

Artikel vom 27.05.2006