25.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Marie Antoinette mit
Cheerleader-Lächeln

Sofia Coppolas Film erntet auch Buh-Rufe

Von Karin Zintz
Cannes (dpa). Kaum ein Film passt so gut zum Festival in Cannes wie »Marie Antoinette« von Sofia Coppola. Er wurde am Mittwoch in Cannes vorgestellt.

Die Fixierung auf Schönheit und Glamour, die Sucht nach Verschwendung, die abgeschlossene höfische Gesellschaft, in die niemand ohne Einladung Einlass findet, die Oberflächlichkeit: Das Leben im Schloss von Versailles kurz vor der Französischen Revolution kommt dem Festivalzirkus dieser Tage sehr nahe - nur dass in Cannes niemand geköpft wird.
Die Buhs nach der Pressevorführung hat die 35 Jahre alte Regisseurin im Prinzip nicht verdient. Die Erwartungen an den Wettbewerbsbeitrag waren nach vielen eher mittelmäßigen Filmen einfach zu hoch. Doch anders als in ihrem Hit »Lost in Translation«, der mit Tiefgang und lakonischem Humor überzeugte, spielt Coppola jetzt die »Mädchenkarte« aus. Die Tochter Francis Ford Coppolas hat einen Ruf als modische Stilikone zu verteidigen und schwelgt in Kostümen, Ausstattung und der Üppigkeit des Original-Drehorts.
Die Geschichte der naiven Prinzessin aus Wien, die als 14-Jährige nach Frankreich geschickt wird, um mit Louis XVI. einen Thronfolger zu produzieren, erstickt in Seide und süßem Gebäck. 40 Millionen Dollar hat »Marie Antoinette« gekostet, im Budget inbegriffen sind Dutzende Paare der traumhaften Schuhe des Kult-Designers Manolo Blahnick.
Konfrontiert mit den strengen Regeln des französischen Hofes und enttäuscht vom sexuellen Desinteresse ihres Mannes, entwickelt sich Marie Antoinette erst zum Partygirl, dann zur gereiften Mutter. Sofia Coppola interpretiert das sehr modern und locker. Ihr Film ist sinnlich und sexy wie ein langer Video-Clip mit moderner Musik von Bands wie etwa New Order.
Dass sie an der Oberfläche des eigentlichen Dramas kleben bleibt, liegt vor allem an Kirsten Dunst als Titelheldin. Die junge Amerikanerin aus »Spiderman« verjagt auch als politisch missbrauchte, verunsicherte Marie Antoinette alle Ängste und Schrecken mit einem unpassend patenten Cheerleader-Lächeln.

Artikel vom 25.05.2006