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»Therapie ist mehr als Kalzium und Vitamin D«

Große Resonanz bei der Experten-Telefonaktion »Osteoporose«

Bielefeld (WB/dr). Jede vierte Frau über 50 Jahre erkrankt an Osteoporose, bei den Männern ist jeder zehnte ab 50 Jahren betroffen. Das größte Problem: Nur ein Teil der Patienten wird ausreichend therapiert. Kalzium und Vitamin D sind wichtig, aber auch Medikamente, die den Knochenabbau hemmen, werden benötigt.

Wie groß der Beratungsbedarf rund um das Thema Osteoporose ist, hat jetzt die Experten-Telefon-Aktion beim WESTFALEN-BLATT gezeigt. Dr. Ulrich Frohberger, Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und physikalische Therapie aus Münster, sowie Dr. Karsten Christesen, Facharzt für Orthopädie aus Hamburg, stellten sich zwei Stunden lang den Fragen der Leserinnen und Leser.
Wie macht sich Osteoporose bemerkbar?
Manche Patienten haben plötzlich Schmerzen beim Heben, andere ziehen sich bei vergleichsweise harmlosen Stürzen einen schweren Bruch zu. Das können Hinweise auf eine Osteoporose sein. Eine verlässliche Diagnose kann, neben der körperlichen Untersuchung und dem Röntgenbild, aber nur eine Knochendichtemessung nach dem DXA- oder dem QCT-Verfahren bringen. Hierzu sollte man einen Orthopäden aufsuchen. Die Ärztekammer gibt Auskunft darüber, welche Orthopäden sich auf Osteoporose spezialisiert haben. Als nicht zuverlässig und daher von der deutschen Fachgesellschaft für Osteologie nicht anerkannt sind Knochendichte-messungen mit der Ultraschall-Diagnostik, wie sie in Apotheken und bei Gynäkologen angeboten werden.
Mein Hausarzt hat bei mir eine Osteoporose festgestellt und sagt, ich solle Kalzium und Vitamin D einnehmen. Genügt das?
Neben Kalzium und Vitamin D kann Osteoporose mit Bisphosphonaten u.a. Medikamenten behandelt werden. Zur Diagnose gehört neben einer ausführlichen Befragung auch zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme die sorgfältige Ganzkörperuntersuchung sowie eine ergänzende Röntgendiagnostik. Hinzu kommt unverzichtbar ein gezieltes körperliches Training, welches aber Ihrer individuellen Belastbarkeit angepasst sein muß. Sie sollten einen Orthopäden aufsuchen.
Ich habe Schmerzen und mein Rücken wird schon krumm. Mein Hausarzt meint, dass es nicht an Osteoporose liegen würde, da Osteoporose keine Schmerzen bereite. Stimmt das?
Es gibt keinen Beweis dafür, dass Osteoporose schmerzt. Was allerdings schmerzt, sind Knochenbrüche, die aufgrund der Osteoporose entstehen. Sie sollten ihre Knochendichte messen lassen. Dann wissen Sie zuverlässig, ob Sie an Osteoporose leiden.
Ist Osteoporose heilbar?
Nein, sie kann aber medikamentös u.a. gut behandelt werden, so dass der Knochenabbau nicht noch weiter voranschreitet.
Ich habe schwere Osteoporose. Was gehört zur Therapie und wie lang dauert eine Therapie?
Kalzium, zum Beispiel in Milch, Joghurt und Käse, und Vitamin D gehören zu jeder Osteoporosetherapie. Damit der Körper genügend Vitamin D bilden kann, sollte man 30 Minuten am Tag in der frischen Luft an der Sonne sein. Körperliche Aktivität wie Schwimmen, (Nordic-)Walking oder Seniorensport ist auch sehr wichtig. Darüber hinaus gibt es spezielle Medikamente gegen Osteoporose, zum Beispiel Bisphosphonate. Bei einer Therapie ist es wichtig, dass die Medikamente konsequent eingenommen werden in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren.
Gibt es auch eine Tablette, die man nicht jeden Tag, oder jede Woche einnehmen muss? Das wäre sehr sinnvoll für mich.
Es gibt ein Bisphosphonat, das man einmal im Monat einnehmen kann. Die Wirkung ist die gleiche wie bei anderen Bisphosphonaten. Vorteile hat die Monatstablette, wenn man zum Beispiel im Urlaub ist. Dann muss man nicht jeden Tag an die Tabletteneinnahme denken.
Ich trage aufgrund meiner Muskelschwäche ein Korsett. Ist das sinnvoll?
Ja, allerdings sollten Sie das Korsett nicht zu lang tragen und den Muskelaufbau nicht vernachlässigen.
Welche Art von Sonnenbestrahlung ist besser, die natürliche Sonne oder Sonnenbank?
Wenn Sie es vertragen können, ist die Sonnenbank auch geeignet. Allerdings sollten Sie darauf achten, dass sie auch mit UVB-Licht bestrahlt werden.
Welche Sportarten empfehlen Sie bei Osteoporose?
Ideal ist eine Sportart, bei der verschiedene Muskelgruppen beansprucht werden, zum Beispiel Walken oder Schwimmen. Besonders ideal ist ein gezieltes Training unter qualifizierter Aufsicht mit Gewichten sowie Nordic Walking. Die Sportart muss auf jeden Fall Spaß machen und darf Ihren Zustand nicht verschlimmern. Außerdem gibt es eine spezielle Funktionsgymnastik für Osteoporose. Fragen Sie am besten bei Ihrer Krankenkasse nach, ob diese Gymnastik in ihrem Umfeld von einer entsprechend besonders weitergebildeten Therapeutin /Trainerin (z.B. Lizenz des Bundesverbandes der deutschen Rückenschulen, www.bdr-ev. de) angeboten wird. Die Krankenkassen übernehmen in der Regel 80 Prozent der Kosten eines solchen Kurses.
Ich bin durch meine Osteoporose zehn Zentimeter kleiner geworden und meine Wirbelkörper sind mehrfach gebrochen. Sollte ich dennoch aktiv bleiben?
Sie sollten darauf achten, dass Sie aktiv bleiben und sich bewegen, sonst besteht die Gefahr, dass die Muskelmasse abgebaut wird und Sie unsicher auf den Beinen werden. Dadurch steigt das Sturzrisiko und die Gefahr von erneuten Knochenbrüchen nimmt ebenfalls zu - wichtig ist der Erhalt der Ganzkörperkoordination.
Meine Schwiegermutter ist 89 Jahre alt, leidet an Osteoporose, ist aber medikamentös gut eingestellt. Können wir sonst noch etwas Sinnvolles für sie tun?
Wichtig ist für die Patientin, in Bewegung zu bleiben, regelmäßig spazieren zu gehen. Darüber hinaus sollten Sie darauf achten, mögliche Sturzquellen wie hochstehende Teppichkanten und Ähnliches in der Wohnung zu beseitigen. Achten Sie darauf, dass die Patientin ihre Brille trägt, wenn sie fehlsichtig ist.
Wie oft sollte man die Knochendichte messen?
Ist eine Osteoporose diagnostiziert und die Tendenz eher schlecht, sollte einmal jährlich eine neue Knochendichtemessung erfolgen. Ansonsten reicht die erneute Messung nach 18 bis 24 Monaten.

Artikel vom 01.06.2006