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»Katholische Soziallehre muss neuen Schwung bekommen«: Reinhard Marx.

Mit Bischof Marx und Jesus
gegen den puren Kapitalismus

»Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht« zentrales Thema beim Katholikentag

Von Reinhard Brockmann
Saarbrücken (WB). Der frühere Paderborner und heutige Diözesanbischof von Trier, Reinhard Marx, hat am Mittwochabend den 96. Deutschen Katholikentag in Saarbrücken eröffnet. Das Laientreffen mit erwarteten 40 000 Besuchern steht unter dem sozialkritischen Leitwort: »Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht«.

Die katholische Soziallehre müsse wieder neuen Schwung bekommen, sagte Marx. Deshalb sollten sich Christen in die politische Debatte um den Sozialstaat einmischen. Jesus selbst habe die Aufgabe gestellt, sich für die Gerechtigkeit stark zu machen. »Wohl wissend, dass Gottes Gerechtigkeit tiefer geht«, sagte Marx, sollten Christen an der Erarbeitung der neuen Grundsatzprogramme bei CDU und SPD mitwirken.
Marx verteidigte seine massive Kritik an der Marktwirtschaft, die in puren Kapitalismus abzugleiten drohe. Wenn es so weit komme, dass nur noch Renditen und kalte Zahlen, nicht aber der Mensch und dessen soziale Lage zum Maßstab würden, werde »das System an die Wand gefahren«. Marx: »Die Tendenz geht dahin.«
In der zeitgleich stattfindenden ersten Polenreise des Papstes sieht Bischof Marx keine Schwächung des Außenwirkung des Katholikentages. Beide Ereignisse würden vielmehr zur Verstärkung der Botschaft beitragen, sagte er. Das im Papstjahr 2005 offenbar gewordene neue Interesse gerade junger Leute setze sich fort.
Mit »möglicherweise« antwortet der Bischof auf die spekulative Frage dieser Zeitung, ob dieser 96. Katholikentag nicht in Saarbrücken, sondern in Paderborn hätte stattfinden können, sofern Marx dort geblieben wäre. Saarbrücken sei auf Betreiben von Ministerpräsident Peter Müller (CDU) als Landes-hauptstadt ins Gespräch gebracht worden, sagte Marx weiter. Auch verfüge die Stadt über größere Messekapazitäten als Paderborn.
Die Eröffnungsfeier auf dem Schlossplatz wurde mitgestaltet vom Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Reinhard Höppner. Gemeinsam mit Prof. Hans-Joachim Meyer, dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, unterstrich er die gegenseitige Öffnung aller Laientreffen. Saarbrücken werde einen Beitrag für den nächsten ökumenischen Kirchentag 2010 in München leisten.
Scharfe Kritik übte die »Kirche von unten«. Nach deren Darstellung wurde eine Beteiligung des von Bischof Marx mit Lehrverbot belegten Theologen Gotthold Hasenhüttl am Kirchentag untersagt. Marx und ZdK-Chef Meyer sagten dagegen, ein entsprechender Antrag sei gar nicht erst gestellt worden.
Hasenhüttl unterstellte Marx diktatorisches Verhalten. Er könne sich den Bischof als »Gefängniswärter von Alcatraz« gut vorstellen. Den Vorhalt, mit dem eigenmächtigen Austeilen der Kommunion auch an evangelische Christen 2003 in Berlin sei der Ökumene geschadet worden, konterte Hasenhüttl: »Der Zerstörungsvorwurf will nur die starre Haltung der Hierarchen rechtfertigen.« Im Rahmen der Auseinandersetzung seien die Mauern in der katholischen Kirche sichtbar geworden.

Artikel vom 25.05.2006