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»La Ola« nur in Brasilien:
Melitta kündigt Sparkurs an

Weniger Kaffee in Deutschland verkauft - Stellenabbau möglich

Von Bernhard Hertlein
Minden (WB). Würde die Weltmeisterschaft nicht im Fußball, sondern im Kaffeetrinken ausgetragen, bei Melitta stünde der Sieger bereits fest: Brasilien stellte 2005 alle anderen Märkte in den Schatten. Die dagegen nicht zufrieden stellende Leistung in Deutschland zieht nun Konsequenzen nach sich.

Dr. Thomas Bentz, einer von drei geschäftsführenden Gesellschafter 1der Mindener Melitta-Gruppe, kündigte bei der gestrigen Bilanzvorlage ein »umfangreiches Restrukturierungsprojekt« für den Unternehmensbereich Melitta Haushaltsprodukte an. Alle Tochtergesellschaften und Standorte in Europa würden in die Überprüfung einbezogen. Der Betriebsrat sei informiert. Konkrete Ergebnisse lägen aber noch nicht vor. »Ein Personalabbau ist nicht ausgeschlossen«, erklärte Bentz.
In einem wirtschaftlich wie politisch schwierigen Umfeld hat Melitta sein Ziel eines sechsprozentigen Umsatzwachstums in 2005 verfehlt. Herausgekommen sind zwei Prozent -ĂŠkaum mehr als die Inflationsrate. In Deutschland entwickelte sich der Absatz von Kaffee und Filtertüten sogar rückläufig. Melitta litt als viertstärkster Kaffee-Anbieter besonders unter der Niedrigpreis-Strategie der Discounter. Zugleich büßte auch die Marke Swirl (Praktische Sauberkeit) 13 Prozent ihres Umsatzes ein. Hier wirkte sich vor allem die sinkende Nachfrage nach Staubfilterbeuteln negativ aus.
Grund zum Jubeln hatte Melitta dagegen in Brasilien. Das dortige Tochterunternehmen konnte seinen Umsatz binnen eines Jahres um 43 Prozent auf 123 (Vorjahr: 86) Millionen Euro steigern. Selbst ohne Währungseffekt blieb noch ein ansehnliches Plus von 18 Prozent. Die positive Entwicklung führte am Jahresbeginn 2006 zur Übernahme des lokalen Kaffeerösters »Bom Jesus« (70 Beschäftigte, 10 Millionen Euro Umsatz).
Auch nördlich von Brasilien standen die Zeichen auf Wachstum: In den Vereinigten Staaten verbesserten die Mindener ihren Umsatz um 13 Prozent auf 58 (52) Millionen Euro. In Kanada legten sie um 22 Prozent auf 16 (13) Millionen Euro zu.
Mitverantwortlich für die nicht zufriedenstellende Ertragssituation sind Bentz zufolge die enorm gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten. Allein der Einkaufspreis für Aluminium, aus dem die Melitta-Tochterfirma Cofresco Haushaltsfolien herstellt, läge heute um 16 Prozent über Vorjahresniveau. Zudem muss das Unternehmen in der zweiten Jahreshälfte höhere Gebühren auf Grund der Elektroschrottverordnung verkraften. »Wir kommen an Preiserhöhungen nicht vorbei«, erklärte Bentz. Derzeit führe man darüber bereits Gespräche mit den deutschen Handelspartnern. Insgesamt konnte die Unternehmensgruppe Melitta ihren Umsatz im ersten Quartal zwar um neun Prozent steigern. Trotzdem glaubt man in Minden nicht an eine schnelle Wende im Hauptmarkt Deutschland.
Für einen Ausgleich sollen 2006 neben Brasilien auch Frankreich, wo die Mindener in diesem Jahr mit Geräten zur Kaffeezubereitung an den Start gehen, sowie Osteuropa sorgen. Insgesamt geht Bentz von einem Umsatzplus zwischen drei und vier Prozent aus.
www.melitta.de

Artikel vom 24.05.2006