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Totes Baby: Kripo findet Mutter

Kind hat Geburt angeblich nicht überlebt - Säugling wird heute beerdigt

Von Christian Althoff
Herford (WB). Eine Woche, nachdem in Herford ein toter Säugling gefunden worden war, hat die Polizei die Mutter ermittelt. Es handelt sich um eine 24 Jahre alte Mieterin aus dem Haus, in dessen Keller das Baby gelegen hatte. Die Frau soll Arzthelferin von Beruf sein.

Die Komturstraße 29 in der Innenstadt. Im Erdgeschoss hat die katholische Frauenberufsberatungsstelle »In Via« ihre Schulungsräume, darüber sind zwei Wohnungen vermietet. Nach dem Fund des toten Säuglings am Montag vergangener Woche hatte die Kripo die Mieter befragt und den festen Eindruck gewonnen, dass keine der im Haus lebenden Frauen ein Kind entbunden hatte. Trotzdem hatte Mordkommissionsleiter Ralf Gelhot von allen Männern und Frauen aus dem Haus und der näheren Umgebung Speichelproben für einen DNA-Vergleichstest nehmen lassen.
Noch bevor das Ergebnis vorlag, meldete sich jetzt ein Zeuge am Hinweistelefon der Kripo und äußerte einen Verdacht hinsichtlich der 24-jährigen Mieterin. Die Frau wurde am Montag festgenommen und gestern stundenlang befragt. »Schließlich hat sie ausgesagt, sie habe das Kind ohne fremde Hilfe in der Wohnung entbunden«, sagte Polizeisprecher Detlef Albers.
Der Lebensgefährte der 24-Jährigen gab an, von der Schwangerschaft nichts gewusst zu haben. Dies bestätigte die Frau. Sie erklärte, die Schwangerschaft vor ihrer Umgebung geheimgehalten zu haben und von der Geburt Anfang Mai überrascht worden zu sein. »Die Mutter erklärte, dass der Junge ihrer Einschätzung nach nicht gelebt hat.« Um Nachfragen und Vorwürfen ihres Umfelds zu entgehen, habe sie das tote Kind spontan im Keller versteckt und alle übrigen Spuren der Geburt beseitigt. »Die Frau befand sich offenbar in einer psychischen Ausnahmesituation«, sagte Albers.
Ein Rechtsmediziner der Uni Münster war nach der Obduktion zu dem Schluss gekommen, dass das Baby nach der Geburt möglicherweise gelebt hatte. Ohne weitere feingewebliche Untersuchungen, die noch Wochen dauern könnten, lasse sich das aber nicht mit Sicherheit sagen, erklärte gestern Staatsanwalt Klaus Metzler. »Sollte der Junge tatsächlich tot zur Welt gekommen sein, wäre der Mutter kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen.« Die Frau wurde deshalb gestern Nachmittag wieder auf freien Fuß gesetzt.
Das Baby, das vom Standesamt in der vergangenen Woche den Namen Leon Frühling bekommen hatte, wird heute auf dem »Ewigen Frieden« bestattet - in einem 60 Zentimeter kleinen, weißen Kindersarg. Noch bevor die Mutter ermittelt worden war, hatte die katholische Gemeinde St. Johannis Baptist, deren Kirche unweit des betreffenden Hauses liegt, die Beerdigung organisiert. »Die Mutter ist von uns darüber informiert worden und hat zugestimmt«, sagte Polizeisprecher Detlef Albers.
An der Trauerfeier werden auch Mitarbeiterinnen von »In Via« teilnehmen. In einer Todesanzeige, die die Beratungsstelle aufgegeben hatte, heißt es: »Mögest du aufgehoben sein in der Umarmung Gottes, in der Morgenrot und Dämmerung eins sind.«

Artikel vom 24.05.2006