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Verlorene Scheu vor Menschen
lässt Bären zur Gefahr werden

Großaufgebot an Jägern und Fallenstellern auf der Spur von Meister Petz

München (Reuters). In Bayern ist weiter der Bär los: Einem Großaufgebot an Jägern und Fallenstellern gelang es nicht, das Tier zu schnappen.

Von dem 100-Kilo-Koloss fehlt jede neue Spur. Ein Sprecher sagte am Abend, die Behörden vermuteten, dass das Tier nach Österreich zurückgekehrt sei. Die Suche gehe aber weiter.
Die behördlich erteilte Abschusserlaubnis sorgt indessen für Streit zwischen Naturschützern und Politikern. Landesumweltminister Werner Schnappauf (CSU) verteidigte die Entscheidung, weil der Bär ein Risiko für Menschen sei. Tierschützer kritisierten das Vorgehen als überzogen.
Nachdem der Braunbär - der erste in Deutschland seit 170 Jahren - mehrere Schafe und Hühner gerissen hatte, gaben ihn ihn die Behörden zum Abschuss frei. Ein Dutzend Jäger durchstreifte gestern das Gebiet, in dem der Eindringling vermutet wurde, ohne ihn zu finden. Aktivisten der Tierschutzorganisation WWF versuchten zeitgleich, Meister Petz mit lebend zu fangen. Behördenangaben zufolge richtete der Bär keine neuen Schäden an. Das Tier sei in der Nacht zum Dienstag nicht gesichtet worden.
Das Ministerium begründete die Abschussgenehmigung damit, dass der aus Österreich eingewanderte Bär die Scheu vor Menschen verloren habe. Der WWF hält es für möglich, dass der Bär erschossen werden muss. Es handele sich in der Tat um ein »sehr problematisches Tier«, sagte WWF-Sprecher Jörn Ehlers. Schon seit zwei Wochen werde es mit der Lebend-Falle gejagt. Mit jedem Vorfall steige das Risiko für Menschen.
Die Tierschutzorganisationen »Vier Pfoten« und »Stiftung für Bären« wollen ein drei Hektar großes Gehege in Bayern zur Verfügung stellen, in dem der Eindringling sein Zuhause bekommen soll, falls er den Jägern entkommt. Das Areal sei zum Ende der Woche bezugsfertig. »Damit wäre die artgemäße Unterbringung des Tieres sicher gestellt und der drohende Abschuss abgewendet«, hieß es. Experten halten eine »Einweisung« des Tiers in einen Zoo für unmöglich, da es schwer sein würde, es in eine Gruppe von Artgenossen zu integrieren.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes, Brigitte Rusche, sagte, hier werde beklagt, wenn ein Elefant von armen Bauern in Afrika erschossen werde, um die Ernte zu schützen. »Aber uns fällt nichts besseres ein, als einen Bären sofort abzuschießen«, sagte die Biologin. Sie sprach sich für eine Markierung des Tiers aus, um seine Route zu verfolgen. Nutzvieh in der betroffenen Region solle mit Elektrozäunen geschützt werden. Schnappauf sagte, die Abschusserlaubnis sei eine seiner schwierigsten Entscheidungen gewesen. Normal sei, dass ein Bär im Schnitt pro Jahr zwei Schafe töte. »Dieser hat jetzt in Bayern innerhalb 48 Stunden etwa ein Dutzend Schafe gerissen.« Entscheidendes Alarmsignal sei, dass das Tier in einen Hühnerstall eingedrungen sei.
Wenn der Bär gelernt habe, dass es in Ställen Nahrung gebe, werde er zum Wiederholungstäter, was ein Risiko für Menschen bedeute. Der Biologe der Regierung von Vorarlberg, Hubert Schatz, unterstützte das Vorgehen Schnappaufs. Auch in Österreich wurde der Bär zum Abschuss freigegeben. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 24.05.2006