03.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Bier passt am besten zu mir«
Westfälische Königin Constanze I. trinkt am liebsten Pils -ÊLeben zwischen Studieren und Repräsentieren
Königin, so denkt man sich, wird nur, wer schon als Kind »Prinzessin« war oder unbedingt sein wollte. Weit gefehlt. »Als kleines Mädchen mochte ich viel lieber ein Junge sein«, berichtet Constanze. Mehr als die Barbie-Puppe liebte sie ihr »Bobby Car«, das natürlich die Form eines Traktors hatte. Schließlich betrieben die Eltern schon damals in ihrem Heimatort Völlinghausen bei Erwitte einen Landmaschinenhandel. Das Mädchen staute Wasser, baute Buden, kletterte auf Mirabellenbäume.
Ihre heutigen Hobbys, Reiten und Jagen, teilt sie mit vielen Mitgliedern des europäischen Hochadels. Eine Trophäensammlung ist auch im Aufbau. Das Gehörn des Rehbocks, den sie auf einer Jagd erlegt hat, schmückt die elterliche Wohnung. Nur auf ein eigenes Pferd muss Constanze, obwohl Königin, bislang noch verzichten. Doch vielleicht, als Belohnung für ihr Diplom in Agrarwissenschaften . . . Constanzes Vater hat jedenfalls schon einmal eine solche Andeutung gemacht.
Begonnen hat die königliche Karriere der bürgerlichen Constanze Sommer ganz ungewöhnlich mit der Kandidatur zur »Miss PottÕs« - ein Wettbewerb, den die lokalen Jungschützen bei einer »Bierparty« im ostwestfälischen Delbrück durchführen. Constanze wurde noch nicht einmal gekürt. Aber irgendwie fiel sie den Vertretern der Traditionsbrauerei in Oelde positiv auf. Als Kandidatinnen für die sechste westfälische Bierkönigin gesucht wurden, erinnerte man sich an sie. Und Constanze sagte zu.
Die Biermonarchie ist - zumal in Westfalen - ein Wahlkönigtum. Aber so fortschrittlich sind noch nicht einmal die Bierbrauer, dass sie ihre Monarchin durch eine Volkswahl küren ließen. Diese Aufgabe überträgt die PottÕs Brauerei, die das Amt der »Westfälischen Bierkönigin« erfand und bis heute alleine auslobt, lieber einem Gremium von Wahlleuten. In die Rollen der Kurfürsten schlüpfen in diesem Fall der Oelder Bürgermeister, der Landrat, drei in solchen Fragen stets versierte Lokaljournalisten sowie die Vorgängerin im Amt, Anke I.
Im Hotel »Engel« ging es dann zur Sache - das heißt an den gedeckten Tisch. Von ursprünglich 25 Bewerberinnen waren sechs zu einem festlichen Essen eingeladen. Hier sollten sie beweisen, dass sie nicht nur Bier mögen, sondern auch repräsentieren können. Einer speziellen Wissensprüfung mussten sich die Kandidatinnen dagegen nicht unterziehen: »Hier wurde schließlich eine Bierkönigin und kein Braumeister gewählt«, erklärt Constanze.
Gleichwohl kann sie stundenlang über Bier und die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen parlieren. Dabei stellt sich heraus, dass sie sich -Êeher untypisch für eine Frau - am liebsten ein Pils einschenken lässt. Dagegen haben sie die Alkohol-Mixgetränke noch nie sonderlich »amused«.
Die westfälische Bierkönigin, die zwecks Studium in Bonn unter der Woche immer noch regelmäßig ins fremde Rheinland reisen muss, bevorzugt eindeutig die regionalen Brauereien: »Da ist die Frische natürlich und muss nicht künstlich erzeugt werden.« Es macht auch nichts, wenn Constanze ihrem heimischen Pott's - etwa anlässlich des 320. Geburtstages der Schlossbrauerei Rheder - hin und wieder ein bisschen untreu wird. »Der Braumeister war dort so nett und die Fahrt durch den Schlosspark einfach himmlisch«, schwärmt sie.
Constanze ist eine volkstümliche Königin. Beim Tanzen oder Schunkeln lässt sie sich gern anfassen - aber ungern blöd anmachen. Sie liebt die typische Partymusik, das Rumbazumba der Schützenfeste. Auch Wolfgang Petry mag sie, und volkstümliche Hausmusik. Wer sehr viel Glück hat, dem bläst sie möglicherweise sogar auf dem Jagdhorn ein kleines Ständchen.
Einen Prinzen an ihrer Seite gibt es noch nicht. Greift sie deshalb beim Friseur jetzt ab und zu zum »Goldenen Blatt«? Constanze schmunzelt: »Nein.« Ihre Lieblingsfigur aus dem blaublütigen Pantheon der königlichen Hoheiten war bis zu ihrem Tod vor vier Jahren Queen Mum: »Die alte Frau war so herrlich schrullig.« Übrigens: Sollte sich demnächst ein Prinz um den Platz an ihrer Seite bewerben - einen kleinen Bierbauch darf er ruhig haben. »Einen kleinen«, betont sie.
Einer von den vielen Vorzügen einer westfälischen Bierkönigin ist: Sie hat keine andere Monarchin über sich. Es gibt zwar eine deutsche Wein-, aber nun mal keine deutsche Bierkönigin. Ansonsten muss Constanze nicht lange nach Gleichgestellten suchen. Beim nächsten Königinnen-Tag im April 2007 werden sie sich alle in Witzenhausen wiedertreffen - die Bier- und die Korn-, die Wein-, die Apfelwein-, die Glas- und die Bernstein-, die Karpfen- und die Spargel-, die Möhren- und die Lavendel-, die Honig- und die Heidelbeer-, die Pflaumen- und die Kirsch-, die Heide- und die Börde-, die Rhododendron- und die Rosen-, die Blüten- und die Ernte-, die Raps- und die Heu-, die Brunnen- und die Schnee-, die Kraut-, die Käse-, die Kartoffel- und sogar die PellkartoffelKönigin - ganz zu schweigen von den vielen Schützenköniginnen und Karnevalsprinzessinnen landauf, landab. Ob sich da für Constanze nach dem Ende ihrer Amtszeit 2008 nicht vielleicht noch eine zweite Karriere in einem anderen Warenland anschließen lässt. Constanze lehnt schmunzelnd ab: »Bier passt schon am besten zu mir.«
Constanze lacht gern und viel. Bei einem Thema jedoch wird sie sofort ganz ernst, bierernst so zusagen: »Alkohol im Straßenverkehr darf nicht sein.« Für Kneipenbesucher und Partygäste, die sich daran nicht halten, hat sie »überhaupt kein Verständnis«. Wer alkoholisiert einen Unfall verursache, werde doch sein Leben lang nicht mehr glücklich, mahnt sie. Die Königin achtet deshalb darauf, immer einen Chauffeur zur Hand zu haben: »Am liebsten Opa Josef. Er fährt mich besonders gern und kennt sich hier in unserer Gegend aus wie kein zweiter.«
Ansonsten ist auch eine Bierkönigin nur erste Dienerin ihres Volkes. Etwa 15 »Pflichttermine« bringt das Leben als Monarchin jährlich mit sich. Glaubt man Constanze, könnten es ruhig noch ein paar mehr sein: »Alle machen wahnsinnig viel Spaß.« Der nächste und besonders witzige Termin, auf dem man der Königin begegnen kann, ist übrigens der von der Pott's Brauerei am 10. Juni in Oelde veranstaltete »Gewerbe-Jux-Lauf«. Bernhard Hertlein

Artikel vom 03.06.2006