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Dämpfer für DGB-Chef Sommer

Nur 78,4 Prozent - Engelen-Kefer unterliegt in einer Kampfabstimmung

Berlin (dpa). Mit einem schmerzlichen Dämpfer geht DGB-Chef Michael Sommer in seine zweite vierjährige Amtszeit. Er erhielt gestern auf dem Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin bei seiner Wahl lediglich 78,4 Prozent Zustimmung.
Michael Sommer gratuliert seiner neuen Stellvertreterin Ingrid Sehrbrock. Ebenfalls in den fünfköpfigen Vorstand wurde Annelie Buntenbach (kleines Foto) gewählt.
Gehen muss - nach 16 Jahren im Amt - die bisherige DGB-Vizevorsitzende, Ursula Engelen-Kefer. Sie unterlag - nach Monate langem Hin und Her - in einer dramatischen Kampfabstimmung der vom DGB-Vorstand einmütig nominierten CDU-Gewerkschafterin Ingrid Sehrbrock.
Hätte sich Engelen-Kefer durchsetzen können, und danach sah es bei dem turbulenten Wahlgang zeitweise aus, wäre der Gesichtsverlust für Sommer und die Vorsitzenden der acht Einzelgewerkschaften erheblich gewesen. Dem Vernehmen nach betrieben neben Sommer vor allem IG- Metall-Chef Jürgen Peters und der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske die Ablösung der renommierten Sozialpolitikerin. Bei der Wahl zum Vorstand stellten die beiden Großgewerkschaften jeweils gut ein Drittel der 400 Delegierten.
Sommer sagte nach seiner Wahl, er sei entschlossen, »den Laden zusammenzuhalten«. Er hatte vor vier Jahren mit 94 Prozent deutlich mehr Zustimmung erhalten. Eine Wiederholung dieses guten Ergebnisses war zwar nicht mehr erwartet worden, doch das Minus fiel deutlich höher aus als angenommen.
Möglicherweise hatte die Rolle Sommers bei der Nicht-Nominierung von Engelen-Kefer auch Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Delegierten. Das Kongress-Präsidium war bemüht, die Turbulenzen um die Stellvertreter-Wahl herunterzuspielen. Die für den Nachmittag geplante Grundsatzrede des frisch wiedergewählten DGB-Vorsitzenden wurde auf Donnerstag verschoben.
Einen Dämpfer musste auch der Peters-Vertraute Claus Matecki bei der Wahl in den fünfköpfigen geschäftsführenden DGB-Vorstand hinnehmen. Er erreichte im ersten Wahlgang nicht die nötige Stimmenzahl, schaffte es dann im zweiten Wahlgang. Gewählt wurden dagegen im ersten Anlauf die frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach aus Bielefeld sowie Dietmar Hexel.
Bei der Bundestagswahl 2002 kandidierte die studierte Historikerin Buntenbach nicht mehr. Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag wurde sie Abteilungsleiterin Sozialpolitik bei der IG BAU. In dieser Funktion arbeitete sie in der Rürup-Kommission über die Reform der Sozialsysteme mit.
Bis zuletzt hatte Engelen-Kefer für Verunsicherung gesorgt, weil sie Monate lang offen ließ, ob sie zu einer Kampfkandidatur antritt. Letztlich wurde sie dazu von einem Delegierten der IG Metall unter großem Beifall aufgefordert. Sie erhielt 43,2 Prozent, Sehrbrock 56,8 Prozent. Das Argument des erweiterten Vorstandes gegen Engelen-Kefer war deren Alter. »Findungskommissar« Franz-Josef Möllenberg (NGG) sagte unter Buh-Rufen und Pfiffen, die Gewerkschaften könnten nicht gegen die von der großen Koalition geplante Rente mit 67 angehen, und eine fast 63-Jährige für weitere vier Jahre im Amt lassen.
Das CDU-Mitglied Sehrbrock unterstrich vor dem Wahlgang, sie habe sich »immer verstanden als Brücke zu meiner Partei«. Mit Blick auf die große Koalition von Union und SPD war dies ein wesentliches Argument für die Nominierung als DGB-Vize. Die Personalentscheidungen im DGB werden in aller Regel einvernehmlich getroffen. Die letzte Kampfabstimmung in der DGB-Spitze war 1952. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 24.05.2006