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Der Bär ist frei
zum Abschuss

Angst um Sicherheit der Menschen

München (dpa). Der aus Österreich nach Deutschland eingewanderte Braunbär ist zum Abschuss freigegeben, um Menschen zu schützen.

»Der Bär ist ganz offensichtlich außer Rand und Band«, begründete Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) gestern in München die Entscheidung. Der Bär habe in kurzer Zeit elf Schafe in Bayern gerissen und sei in der Nacht zum Montag in Grainau bei Garmisch-Partenkirchen sogar in einen umschlossenen Hühnerstall eingedrungen. »Der Bär ist zu einem Problembären geworden«, sagte Schnappauf. Das Tier ist der erste in Freiheit lebende Braunbär, der seit 170 Jahren seine Tatzen auf deutschen Boden setzte. Tier- und Naturschutzverbände kritisierten die Freigabe zum Abschuss.
Der tierische Einwanderer hatte am Wochenende neun Schafe im Raum Garmisch-Partenkirchen gerissen. Dann riss er in der Nacht zum Montag abermals am Eibsee zwei Schafe und drang später auch noch in den Hühnerstall ein. Zum Vergleich wies Bären-Experte Felix Knauer von der Universität Freiburg darauf hin, dass die 20 in Österreich in freier Natur lebenden Bären im vergangenen Jahr insgesamt nur 40 Schafe gerissen hätten.
»Wir müssen gewährleisten, dass keine Gefahrensituationen für Menschen entstehen«, sagte Schnappauf. Es könne zu gefährlichen Überraschungssituationen kommen, wenn eine Bäuerin oder ein Bauer wegen lauter Geräusche nachts in ihren Hühnerstall gehen und plötzlich einem Bären gegenüberstehen. »Die logische Konsequenz für uns war: Das Tier muss raus aus der freien Wildbahn.«
Die Versuche, das Tier doch noch einzufangen, sollen nach den Worten von Schnappauf aber fortgesetzt werden. Allerdings könne das Tier im Falle einer Gefangennahme später nicht wieder in die Freiheit entlassen werden. Dann müsse es gegebenenfalls in ein Gehege.
»Ein Abschuss ist die allerletzte Möglichkeit«, sagte Helmut Schultheiss vom Bund Naturschutz (BN) in Bayern. Stattdessen sollten die Behörden zu Betäubungswaffen greifen oder das Tier fangen, um es in einem geeigneten Lebensraum auszusetzen. »Im Grund genommen ist Abschießen eine Kapitulation.«
»Der Bär hat sich ein Futterverhalten zugelegt, das auf Haustiere ausgerichtet ist«, sagte dagegen Schnappauf. Und das Tier habe die Erfahrung gemacht, dass es bei menschlichen Siedlungen gute Nahrungschancen habe. Ein solches Verhalten sei kaum noch zu ändern, wenn es erst einmal erlernt sei. Man hätte den Bären gerne im bayerischen Ammergebirge als seiner neuen Heimat willkommen geheißen, wenn er das übliche, eher menschenscheue Verhalten gezeigt hätte. Der Bär war zunächst in Tirol unterwegs und dann nach Bayern gewandert.

Artikel vom 23.05.2006