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Zweitpraxis gegen Ärztemangel

Regierung plant Neuregelung - Praxisgebühren-Preller zahlen drauf

Berlin/Magdeburg (Reuters/dpa). Die Bundesregierung will per Gesetz einem Ärztemangel in einzelnen Regionen begegnen. Ein am Mittwoch vom Kabinett verabschiedeter Entwurf sieht vor, dass Ärzte künftig Zweitpraxen eröffnen dürfen, die auch außerhalb ihres eigenen Zulassungsbezirks liegen können.
Zudem können Mediziner künftig Kollegen in ihrer Praxis anstellen, was bisher nur eingeschränkt möglich war. In unterversorgten Gebieten soll die Altersgrenze von 68 Jahren wegfallen, bis zu der Ärzte ihren Beruf ausüben dürfen. Auch werden örtliche und überörtliche Praxisgemeinschaften von Ärzten und anderen Leistungserbringern - wie zum Beispiel Psychotherapeuten - ermöglicht.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sagte, mit den Maßnahmen solle medizinischen Engpässen begegnet werden. Trotz einer bundesweit ausreichenden Versorgung mit Haus- und Fachärzten bestehe in einzelnen Regionen kurz- und mittelfristig die Gefahr einer Unterversorgung. Betroffen seien vor allem die neuen Bundesländer.
Mit den Regelungen kann künftig ein Arzt in Berlin beispielsweise eine Zweitpraxis in der Uckermark eröffnen. Darüber hinaus sollen säumige Zahler der Praxisgebühr künftig die Kosten für das Eintreiben der Zehn-Euro-Abgabe aus eigener Tasche tragen. Durch einen Mahnbescheid des Amtsgerichts und Anwaltskosten drohen einem Gebührenpreller dann Kosten von bis zu 150 Euro. Im äußersten Falle soll ein Gerichtsvollzieher eingesetzt werden können.
Ungeachtet dramatischer Ärzte-Warnungen vor einer reinen Sparreform im Gesundheitswesen setzt der SPD-Vorsitzende Kurt Beck auf Einsparungen in Milliardenhöhe. »Ich bin sicher: Da lassen sich Milliarden finden«, sagte er. Höhere Beiträge oder Medikamenten-Zuzahlungen lehnte Beck dagegen ab. »Die Höhe der Kassenbeiträge ist ausgereizt - und das gleiche gilt für die Zuzahlung bei Medikamenten.«
Zuletzt hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck mit der Ankündigung von Milliardeneinsparungen Entrüstung bei Ärzten und Arzneimittelherstellern ausgelöst. Am Mittwoch sprach sich Struck dafür aus, das System der Ärzte-Honorare komplett umzustellen. »Wir werden eine Lösung finden, die den Ärzten klar sagt, wieviel sie für eine bestimmte Leistung bekommen.«
Das geltende Punktesystem werde abgeschafft. »Die jetzige Regelung, nach der Ärzte nicht einmal wissen, was sie verdienten, ist unzumutbar.« Vom Tisch sei der Gesundheitssoli. Im Gespräch war, mit den Einnahmen die kostenfreie Mitversicherung der Kinder zu finanzieren. »Ich glaube nicht, dass der Soli konjunkturell zu verkraften wäre«, sagte Struck.
An diesem Sonntag kommt der Koalitionsausschuss von Union und SPD in Berlin zusammen. Dabei will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt über den Stand der Verhandlungen bei der Gesundheitsreform berichten. Schmidt hatte sich für Einsparungen vor allem auf dem Arzneimittelmarkt ausgesprochen. Über Strukturreformen, mit denen auch Sparmöglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, berät derzeit eine 16-köpfige Koalitionsarbeitsgruppe.
In Magdeburg forderte der Deutsche Ärztetag ein Ende der »verfehlten Gesundheitspolitik«. In einem Beschluss kritisierten die Ärzte am Mittwoch »die unzureichende Bezahlung ärztlicher Arbeit und die miserablen Arbeitsbedingungen«. Freie Arztwahl, Therapiefreiheit und der freie Zugang zur Gesundheitsversorgung seien gefährdet, stellten die 250 Delegierten fest. »Ein weiter so geht deshalb definitiv nicht.«
Zudem forderte der bis Freitag dauernde Ärztetag eine grundlegende Veränderung der Vergütung und einen Bürokratieabbau. Die Bundesregierung müsse bei der Gesundheitsreform eine bessere Bezahlung ausdrücklich auch der Klinikärzte einberechnen.

Artikel vom 25.05.2006