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Marcus Ehning hat
die besten WM-Karten

Ludger Beerbaum droht Oliver-Kahn-Schicksal

Aachen (dpa). Selbst im Moment der Siegesfreude bewahrte sich Marcus Ehning seine Skepsis. Gerade hatte er den Großen Preis von Aachen gewonnen, den Klassiker des Reitsports, da meinte der Weltrangliste-Erste allen Ernstes: »Mein Platz in der WM-Mannschaft ist noch nicht sicher, es sind ja noch drei Monate.«

Tatsächlich gilt der 32-Jährige derzeit aber als gesetzt, während ausgerechnet dem viermaligen Olympiasieger Ludger Beerbaum bei der WM im eigenen Land das Schicksal von Oliver Kahn droht - die Rolle des Ersatzmanns.
Nach dem CHIO ist vor der WM - dieses Motto galt schon unmittelbar nach dem Höhepunkt des wichtigsten Reitturniers der Welt. Vor allem bei den deutschen Springreitern, die ihre dominierende Position in Aachen eindrucksvoll unterstrichen, ist der Konkurrenzkampf um die vier Plätze in der WM-Mannschaft gnadenlos. Nur Ehning kann sich momentan sicher sein. Er führt seit Monaten die Weltrangliste an und schaffte nun das einmalige Kunststück, innerhalb von zwei Wochen die Nationenpreise und die Großen Preise von zwei Super-League-Turnieren zu gewinnen.
»Ich bin in einer tollen Situation mit meinen Pferden«, sagte Ehning, der vor vier Wochen mit Sandro Boy auch den Weltcup geholt hatte. Er kann für die WM gleich zwischen zwei Toppferden wählen. Neben der neunjährigen Stute Küchengirl, mit der er in Aachen erstmals den Großen Preis gewann, steht mit der 14-jährigen Stute Gitania noch ein Pferd im Stall, das beim EM-Erfolg vor einem Jahr sein Weltklasse-Niveau bewiesen hat. »Ich kann abwechseln, die Pferde haben so zwischendurch genug Pause«, sagte der Erfolgsreiter.
Beste Aussichten auf ein WM-Ticket haben nach den Aachener Auftritten auch Meredith Michaels-Beerbaum (Thedinghausen) und Christian Ahlmann (Marl). Die letztjährige Weltcup-Siegerin zeigte mit Shutterfly ebenso vier fehlerfreie Umläufe im Nationenpreis und im Großem Preis wie der Doppel-Europameister von 2003 mit Cöster. »Die Pferde sind super in Schuss«, lobte Bundestrainer Kurt Gravemeier, der sein Quartett nach den deutschen Meisterschaften in Münster (20. - 23. Juli) benennen muss.
Offen ist der vierte Platz. Das sich abzeichnende Duell ist ein besonders pikantes, denn die aussichtsreichsten Kandidaten sind Ludger Beerbaum sowie dessen Angestellter und Schüler Marco Kutscher. Der Doppel-Europameister kommt nach einem Hänger mit seinem Toppferd Montender langsam wieder in Fahrt.
»Ich muss kämpfen«, gab Beerbaum unumwunden zu. »Wahrscheinlich wird es schwerer, für das deutsche WM-Team nominiert zu werden, als dann bei der WM erfolgreich zu sein«, sagte er. Für den erfolgreichsten Reiter der vergangenen zwei Jahrzehnte wäre es besonders bitter, bei der WM im eigenen Land zuschauen zu müssen. Denn der WM-Einzelsieg ist der einzige, der in seiner Sammlung von Titeln noch fehlt. Die Wahl des Pferdes könnte für Beerbaum zu Qual der Wahl werden. »Ob L'Espoir, Goldfever oder Gladdys spielt momentan für mich noch keine Rolle, ich versuche nur konstant zu reiten«, sagte der 42-Jährige. Schließlich gilt auch für ihn vor der WM: »Alte Erfolge zählen nicht.«

Artikel vom 23.05.2006