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Die Polen erwarten
vom Papst klare Worte

Benedikt XVI. bereist das Land vom 25. bis 28. Mai

Von Eva Krafczyk
Warschau (dpa). Agata Gadomska strahlt und umklammert ihre Einlasskarte für die Papst-Messe auf dem Warschauer Pilsudski-Platz, die sie gerade im Pfarrbüro ihrer Kirchengemeinde im Warschauer Stadtteil Praga abgeholt hat. »Ich will ihn auch einmal vor Ort erleben, unseren neuen Papst«, sagt die rüstige 69-Jährige. Am Donnerstag kommt er.

Agata Gadomska hat noch Kindheitserinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, an die völlig zerstörte polnische Hauptstadt. Dass nun ein Deutscher an der Spitze der katholischen Kirche steht, stört sie dennoch nicht. »Er war doch im Vatikan der beste Freund von unserem Papst - er muss einfach ein guter Mensch sein«, betont sie. Die Vorfreude auf den deutschen Papst ist groß in Polen, ebenso die Neugier.
Nicht alle waren so erfolgreich wie Gadomska und haben sich rechtzeitig eine Einlasskarte zu den Papst-Messen organisieren können. In Warschau und Krakau werden zu zwei großen Gottesdiensten unter freiem Himmel jeweils mehr als eine Million Menschen erwartet, die Nachfrage war weit höher. Videoleinwände sollen Abhilfe schaffen, im polnischen Radio und Fernsehen wird es fast rund um die Uhr Papst-Programm geben - ganz so wie zu den Heimatreisen von Karol Wojtyla.
Auch sonst wird es eine Reise der Superlative. Mehr als 4100 Journalisten haben sich akkreditiert. »So viele hatten wir noch nie, bei den Reisen von Johannes Paul II. waren es selten mehr als 3000, und hauptsächlich aus Polen«, heißt es. 15 000 Polizisten werden für Sicherheit sorgen und versuchen, das Verkehrschaos in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken.
Die Erwartungen an Joseph Ratzinger sind groß. Er soll die Rolle füllen, die Karol Wojtyla bis zu seinem Tod verkörperte, moralische Autorität und Glaubensführer zu sein. Und er kommt in ein Land, in dem sich mancher klare Worte erhofft angesichts der Aktivitäten katholisch-fundamentalistischer Medien und Politiker. Der Richtungsstreit zwischen liberalen Erneuerern und konservativen Traditionalisten innerhalb der polnischen Kirche schwelt, und beide Seiten dürften auf eine Stellungnahme des Papstes hoffen.
Schon Wochen vor der Ankunft Benedikt XVI. kamen aus dem Vatikan Signale, dass eine Vermischung von Staat und Kirche nicht gewünscht ist. Die Bischöfe wurden angewiesen, sich mit dem nationalkatholischen Rundfunksender Radio Maryja zu befassen. Der Sender des umstrittenen Paters Tadeusz Rydzyk hatte wiederholt mit antisemitischen Programminhalten für Skandale gesorgt.
Dass ein Papst nicht über Politik redet, weiß auch die 24-jährige Studentin Danuta Kaminska, die ebenfalls Benedikt XVI. auf dem Platz hören will, auf dem sein Vorgänger einst zur Veränderung der Welt aufrief. »Aber seit wir die Regierung mit europafeindlichen, intoleranten Politikern haben, wäre es schön, wenn er mit klaren Worten gegen dumpfen Nationalismus anginge«, wünscht sich die Studentin.

Artikel vom 20.05.2006