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Struck: »Müssen ran an
die Pharma-Pfründe«

Gesundheitsreform: Kräftige Einschnitte geplant

Berlin (dpa). Mit kräftigen Einschnitten durch die geplante Gesundheitsreform müssen nach Worten von SPD-Fraktionschef Peter Struck die Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhersteller rechnen. »Die Koalition muss in dieser Frage Mut vor Fürstenthronen beweisen«, sagte Struck der »Bild am Sonntag«.
»Ich rechne mit einem Proteststurm von Ärzten, Apothekern und Pharma-Industrie, weil wir gewachsene Besitzstände und Pfründe angreifen werden.«
Die Gesundheitspolitiker der Koalition erwägen nach Medienberichten eine Umschichtung von Arzthonoraren zu Gunsten von Medizinern, die sich in abgelegenen Regionen niederlassen. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe lehnte dies umgehend ab.
Erwogen wird auch, für den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenkasse die Beitrags-Bemessungsgrenze aufzuheben und so Mehreinnahmen von den Betrieben zu kassieren. Diese Idee wiesen die Arbeitgeber gestern strikt zurück.
Struck forderte den Koalitionspartner CDU/CSU auf, bei den bevorstehenden Kürzungen mitzuziehen. Weil es in kaum einem Bereich so viele Lobbyisten gebe wie im Gesundheitswesen, »müssen SPD und Union sich unterhaken, standhaft sein und ihre Beschlüsse durchsetzen«. Besonders wandte sich Struck gegen die zuletzt drastisch gestiegenen Kosten für Arzneimittel. Sie seien im ersten Quartal um 500 Millionen Euro stärker angewachsen als geplant. »Dagegen muss die Koalition wirksame Beschlüsse fassen«, verlangte der SPD-Fraktionschef. »Die Kosten für Arzneimittel müssen runter.«
Nach Vorstellungen der Gesundheitsexperten der Koalition sollen Ärzte, die in bereits überversorgten Großstädten eine Praxis eröffnen, künftig Honorarabschläge hinnehmen. Das berichtete die »Süddeutsche Zeitung«. Betroffen wären unter anderem München, das Rhein-Main-Gebiet und der Raum Köln. In strukturschwachen ländlichen Gebieten sollten hingegen Zuschläge gezahlt werden. Hoppe lehnte Kürzungen ab, begrüßte aber die Zuschläge.
Nach Berichten der Magazine »Focus« und »Spiegel« wollen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Union erreichen, dass Unternehmen künftig deutlich mehr in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. Für Arbeitgeber würde die Bemessungsgrenze von brutto 3562,50 Euro monatlich wegfallen. Betroffen wären die Arbeitgeber von vier Millionen Arbeitnehmern, die höhere Gehälter beziehen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände bezifferte die Mehrkosten für die Wirtschaft auf 3,5 Milliarden Euro.
Das Ministerium dementierte allerdings, dass Schmidt diesen Plan bereits in die Koalitionsarbeitsgruppe zur Gesundheitsreform eingebracht habe. »Die Arbeitsgruppe hat sich mit Finanzen überhaupt noch nicht befasst. Deshalb kann Frau Schmidt das noch gar nicht eingebracht haben«, sagte Sprecher Klaus Vater.
Zurückhaltend äußerte sich das Bundesjustizministerium zu einem Verzicht auf die Beitragsbemessungsgrenze. In einem Prüfvermerk heißt es: »Einer vollständigen Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze stehen grundrechtliche Bedenken gegenüber.«
Struck lehnte Äußerungen zur Neuordnung der Finanzierung der Krankenversicherung ab. »Wir wollen erst über Einsparungen reden, bevor wir über Handlungsbedarf bei den Einnahmen reden.«

Artikel vom 22.05.2006