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Rassistischer
Überfall in Berlin

Linkspartei-Politiker schwer verletzt

Berlin (Reuters). Nach dem rassistisch motivierten Überfall auf einen türkisch-stämmigen Abgeordneten des Berliner Landesparlaments hat die Polizei noch keine heiße Spur. Der 56-jährige Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan war Freitag Abend in seinem Wahlkreis Berlin-Lichtenberg von zwei Unbekannten angesprochen, als »Scheiß Türke« beschimpft und niedergeschlagen worden.
Das Opfer: Giyasettin Sayan.
Sayan wurde mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht, das er laut Polizei frühestens heute verlassen kann. Der Tatort gilt bei der Polizei als »bevorzugtes Wohngebiet von Personen der rechten Szene«. Der 56-Jährige selbst sagte, die Täter hätten ihn unvermittelt angegriffen und mit einer Flasche auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen. Einer von ihnen habe gesagt: »Scheiß Türke, wir kriegen dich.«
Der Diplom-Politologe und Betriebswirt Sayan, der migrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, wurde nach Polizeiangaben gegen 22.30 Uhr in der Nähe des Lichtenberger Bahnhofs angegriffen, nachdem er sein Auto abgestellt hatte. Die beiden 20- bis 25-jährigen Täter seien geflüchtet. Sayan habe sich in ein italienisches Restaurant gerettet, dessen Gäste von dem Überfall aber nichts bemerkt hätten.
Für Hinweise zur Ergreifung der Täter wurde eine Belohnung von 3000 Euro ausgesetzt. Der Staatsschutz beim Berliner Landeskriminalamt übernahm den Fall. Fremdenfeindlich motivierte Straftaten sind nach Angaben der Polizei in Berlin eher die Ausnahme. Im Jahr 2005 habe es 18 fremdenfeindliche Gewalttaten gegeben - zwei davon im Bereich des Lichtenberger Bahnhofs. »Die Tat rechtfertigt es nicht, Berlin-Lichtenberg oder Teile dieses Bezirks zur 'no-go-area' zu erklären«, sagte Polizei-Präsident Dieter Glietsch.
Der Überfall wurde parteiübergreifend mit Bestürzung aufgenommen. Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau von der Linkspartei sprach von einem »feigen Überfall«, der einmal mehr beweise, wie unsinnig der Streit über jüngste Äußerungen des früheren Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye sei. Sayan sei vor Jahren bewusst in den Osten gezogen, um damit ein Zeichen zu setzen.
Der einstige Sprecher der früheren rot-grünen Bundesregierung, Heye, hatte jüngst Menschen anderer Hautfarbe vor Reisen in einige Gegenden Deutschlands gewarnt. In bestimmten Gebieten Brandenburgs etwa sei dies lebensgefährlich. Er hatte damit teils heftige Kritik ausgelöst, war von vielen Politikern in der Einschätzung aber bestätigt worden.

Artikel vom 22.05.2006