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Gigantischer Staudamm fertig

Kritiker sprechen von Größenwahn - Auftrag an deutsche Firmen

Peking (dpa). Es ist vielleicht die ehrgeizigste Konstruktion seit dem Bau der Großen Mauer. Der Chef des Drei-Schluchten-Dammes, Li Yong'an, spricht vom »großartigsten Projekt des chinesischen Volkes in den vergangenen tausend Jahren«. Kritiker sehen Größenwahn.
18 Milliarden Euro hat der Bau nach Angaben der chinesischen Regierung gekostet. Ausländische Experten setzen die Kosten doppelt so hoch an.
Der Damm ist das Lieblingskind des früheren Ministerpräsidenten Li Peng, der einst in Moskau den Bau von Wasserkraftwerken studiert hatte und das Projekt gegen großen Widerstand durchsetzte. Als Li Peng 1998 endlich in Pension ging, war das gigantische Bauprojekt nicht mehr zu stoppen. Sein Nachfolger Zhu Rongji machte aber deutlich, dass er nichts damit zu tun haben wollte.
Als am Samstag der letzte Beton in die 185 Meter hohe Staumauer gegossen und nach zwölf Jahren Bauzeit die offizielle Fertigstellung gefeiert wurde, war auch kein Spitzenpolitiker der neuen Führungsgeneration aus Peking angereist. Die Propaganda feierte einen »Meilenstein« im Bau des größten Wasserkraftwerkes der Welt, das jetzt schon 2008 in Betrieb gehen soll. Doch feierten nur Bauarbeiter am Damm mit einer einfachen Zeremonie und ließen - wie in China traditionell üblich - ein paar Kracher hochgehen, um die bösen Geister zu vertreiben. Das wird auch nötig sein, denn Umweltschützer wie die prominenteste Dammgegnerin Dai Qing sehen ihre Befürchtungen heute nicht nur alle erfüllt, sondern »noch übertroffen«.
»Die Umweltverschmutzung ist schlimmer, als wir es uns vor dem Baubeginn vorstellen konnten«, verweist Dai Qing auf den Müll, die Reste der Städte und Dörfer, die zurückgelassenen Fabriken, Deponien, Tanks und selbst Friedhöfe, die in dem 660 Kilometer langen Wasserreservoir untergegangen sind. Zudem fließt der Fluss nicht mehr so schnell. »Das Wasser hat heute schon je nach Saison an den meisten Stellen, insbesondere nahe der Städte, keine Trinkwasserqualität mehr.« Wohlwissend bohrten Funktionäre für sich lieber heimlich Brunnen, ließen das Volk aber im Unklaren. Da nur am Staudamm feste Felsen seien, aber sonst entlang des Stausees meist weicherer Grund, passierten Erdrutsche. »Das kann ein ganz großes Problem werden.«
Das gern geäußerte Argument, der Damm könne verheerende Überschwemmungen verhindern, zieht aus ihrer Sicht auch nicht wirklich. Die Kapazität dafür sei gerade einmal ein Zehntel so groß, wie zur Verhinderung der letzten großen Flut 1998 nötig gewesen wäre. 1,13 Millionen Menschen mussten dem See Platz machen und haben ihre Heimat verloren. Viele mussten höher in die Berge umziehen, verloren fruchtbaren Ackerboden, zerstörten die Natur, so dass sie doch an andere Orte gebracht wurden. Das Geld für die Ansiedlung haben Funktionäre verwaltet. Die Klagen der Betroffenen, nicht ausreichend entschädigt worden zu sein, wollen nicht enden. »Die Korruption ist offensichtlich«, findet nicht nur Dai Qing. Selbst die Behörden haben wiederholt ermittelt, korrupte Kader vor Gericht gestellt, einen gar zur Abschreckung zum Tode verurteilt. »Trotzdem hat es die Korruption nicht verhindern können.«
Billig sei der Strom auch nicht, sagte Dai Qing. »Der Jangtse- Strom ist der teuerste.« Die staatlichen Stromversorger müssten für den Drei-Schluchten-Strom das Doppelte zahlen als sonst üblich. Chefbuchhalter Yang Ya verkündete, dass die offiziellen Kosten von 180 Milliarden Yuan (18 Milliarden Euro) zehn Jahre nach der vollen Inbetriebnahme eingespielt sein sollen. Ausländische Experten setzen die Kosten doppelt so hoch an. Doch eigentlich weiß niemand, wie teuer das Bauprojekt wirklich geworden ist - geschweige denn, was die Umsiedlung wirklich kostet hat, welche Werte im Wasser untergegangen sind und wie hoch die Umweltschäden sind.

Artikel vom 22.05.2006