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Gildemeister will keine Bank werden

Maschinenbauer verkürzt Zahlungsfristen für die Kundschaft -Êzufriedene Aktionäre

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). »Ich warte auf den Tag, da die Gildemeister AG eine Banklizenz beantragen wird«, meinte der Vertreter der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Carsten Heise, scherzhaft. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Rüdiger Kapitza aber nahm die Mahnung bei der Hauptversammlung am Freitag ernst: Dazu soll es nicht kommen.

Im Grunde sind die Aktionäre mit der Entwicklung ihrer Gildemeister AG sehr zufrieden. Nach Jahren des Verzichts zahlen die Bielefelder erstmals eine -Êwenn auch sehr kleine -ÊDividende von 0,10 Euro. Das Unternehmen steht von seiner Größe und beim technologischen Fortschritt weltweit an der Spitze. Der Aktienkurs liegt bei sieben Euro und damit klar höher als zu Jahresbeginn (5,86). Auch Umsatz und Auftragslage weisen in dem Jahr weiter nach oben. Die Eigenkapitalquote, zu Beginn der Ära Kapitza auf 8,2 Prozent heruntergewirtschaftet, hat sich in der Zwischenzeit auf fast 30 Prozent erholt. »Gildemeister-Aktionäre können sich glücklich schätzen«, meinte Heidi Demke, die Vertreterin der anderen großen Aktionärsgruppe, der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.
Und trotzdem: 30 Prozent der Bilanzsumme sind permanent durch Vorfinanzierung und Vorratshaltung gebunden. »Ist das denn notwendig?«, fragte Heise.
»Ganz ohne geht es nicht«, antwortete Kapitza. So befänden sich an jedem Tag Maschinen im Wert von 100 Millionen Euro irgendwo auf einem Lkw oder auf einem Schiff. Andererseits könne nicht sein, dass Gildemeister seine Einkäufe praktisch mit dem Tag der Lieferung bezahle, während sich die Kunden dafür oft wochenlang Zeit ließen. Kapitza nutzte die Hauptversammlung, um den Top-Lieferanten harte Gespräche anzukündigen. Gleichzeitig müssten sich die Kunden auf andere Zahlungsbedingungen einstellen. »Wir haben nicht vergessen, dass wir mit den kleinen Kunden groß geworden sind«, erklärte der Vorstandschef. Im vergangenen Jahr seien 6000 Maschinen an 3800 Abnehmer ausgeliefert worden.
Doch 288 Millionen Euro an Außenständen seien jetzt einfach zuviel. Um 50 Millionen Euro will Kapitza die Summe schon in diesem Jahr kürzen -Êselbst wenn deshalb Kunden abspringen. »Die japanischen Konkurrenten haben hier einen Wettbewerbsvorteil, weil ihnen Kredite fast zinslos zur Verfügung gestellt werden.« Ermutigt fühlt sich Gildemeister durch seit Jahresanfang geltende deutliche Preiserhöhung in Folge erhöhter Energie- und Stahlpreise. Der Auftragseingang habe darunter in keiner Weise gelitten.
Die bessere Liquidität will Finanzchef Michael Welt 2006 nutzen, um die Verschuldung um 40 Millionen Euro zurückzuführen. Derzeit drückten die Zinsen jährlich mit 31 Millionen Euro auf die Bilanz.
Gleichzeitig wird Gildemeister weiter in neue Maschinen und in die Märkte investieren. Trotz der realistischen Gefahr, dass die Maschinen kopiert werden, soll weiter Geld in den Ausbau des China-Geschäfts fließen. High-Tech-Anlagen aber würden aus diesem Grunde weiter nur in Deutschland gebaut. Kapitza sieht keine Gefahr, dass der technologische Vorsprung in absehbarer Zeit verloren gehen könnte.
Außer auf China setzt Gildemeister in Asien auf Korea, Japan und neuerdings in stark wachsendem Maße auf Indien. Eine Produktion dort gilt schon aus Zollgründen als wahrscheinlich.
Gerade aus den USA zurückgekehrt, sieht Kapitza auch dort »blendende Absatzchancen für unsere Maschinen«. Dabei hatte er den Ausbau des US-Geschäfts wegen des Asien-Engagements erst jüngst verschoben. Diese Entscheidung könnte schon in Kürze wieder aufgehoben werden.

Artikel vom 20.05.2006