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Karosserien für den »Sprinter«

ThyssenKrupp investierte 38 Millionen in Bielefeld -ÊGottschalk mahnt

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Die deutsche Automobilindustrie hat in den vergangenen zehn Jahren allein im Inland 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Diese Zahl nannte Prof. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), gestern anlässlich der Einweihung des neuen Presswerks von ThyssenKrupp in Bielefeld.

Etwa 38 Millionen Euro, davon 35 Millionen für den Neubau der 10 800 Quadratmeter großen Halle und den Maschinenpark sowie drei Millionen für eine moderne Abstapel-Einrichtung, ließ sich ThyssenKrupp Automotive (Bochum) die Investition kosten. Von sofort an werden hier große Teile der Karosserien für zwei neue Nutzfahrzeuge -Ê »Sprinter« von DaimlerChrysler (Düsseldorf) und »Crafter« von Volkswagen (Hannover) -Êproduziert.
Mit dem neuen Werk weitet der Standort im Bielefelder Stadtteil Brackwede seine Kapazität von bislang 300 000 Nutzfahrzeug-Karosserien deutlich aus. Dies gilt nach Angaben des Chefs der ThyssenKrupp Umformtechnik, Dr. Burkhard Egelkamp, zumal dann, wenn mittelfristig vom derzeit Zwei- auf einen Drei-Schicht-Betrieb umgestellt wird. Künftig sollen hier nicht nur Nutzfahr-Karosserien, sondern auch Pkw-Teile (Außenhaut, Boden, Schwellen, Streben) hergestellt werden. Die entsprechende Technologie für die Behandlung innovativer Stahlsorten stehe nun zur Verfügung. Nach Angaben von Wolfram Mörsdorf, dem Vorstandsvorsitzenden von ThyssenKrupp Automotive, ist diese große Investition auch ein klares Bekenntnis des Unternehmens zum Standort Deutschland.
Das neue Feinblech-Presswerk startet mit 70 Beschäftigten, davon etwa die Hälfte Neueinstellungen. Bisher zählte der Standort Brackwede knapp 1600 Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr einen steigenden Umsatz von 285 Millionen Euro realisieren konnten. Die gesamte zu ThyssenKrupp Automotive gehörende Umformtechnik erwirtschaftete 2005 mit 2200 Mitarbeitern einen Umsatz von 385 Millionen Euro.
Als Hauptredner bei der gestrigen Einweihungsfeier nannte Gottschalk die Investition in den Standort Bielefeld ein »probates Gegengift gegen den Bazillus des Konkurrenzfähigkeitsfiebers«. Er beweise, dass die heimische Industrie Deutschland nicht kampflos der schnell wachsenden asiatischen Konkurrenz überlassen werde. Diese dränge von ihren neuen Standorten in Osteuropa schon in wenigen Jahren mit zusätzlichen 1,2 bis 1,5 Millionen Pkw auf den hiesigen Markt. Gleichzeitig blieben auch die europäischen Wettbewerber nicht tatenlos: »Da wird niemand geschont. Jede Nische ist besetzt.« Damit trete der Wettbewerb in eine neue Dimension.
Als positiv bewertete Gottschalk die Festlegung vieler deutscher Automobilhersteller auf die Premiumklasse. Heute sei bereits jedes zweite in Deutschland produzierte Auto dem Spitzensegment zuzurechnen; vor zehn Jahren war es erst jedes dritte. Damit werde die Kostenfrage allerdings keineswegs bedeutungslos. Gottschalk forderte in Bielefeld neue Rahmenbedingungen und ein »neues Geschäftsmodell Deutschland«. Steuern, Abgaben und die bürokratischen Belastungen seien noch zu hoch. Auch die Tarifparteien sollten sich weiter öffnen. Betriebliche Bündnisse müssten in der Metallindustrie vom Ausnahme- zum Normalfall werden.

Artikel vom 19.05.2006