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Kein Schuldspruch
Hart
am
Ball

Von Friedrich-Wilhelm Kröger

In dieser Woche haben ein paar Spieler erfahren, dass sie bei der WM nicht gebraucht werden. Der Argentinier Martin Demichelis zweifelte in seiner Niedergeschlagenheit sogar seinen Lebenswillen an. Der Schalker Kevin Kuranyi, auch einer der Aussortierten, liegt nachts wach und fragt sich beim Wälzen: »Warum ich?«
Es muss wohl daran liegen, dass es beim Fußball immer richtige Helden gibt und tragische Helden. Zu denen gehört nun auch ein trauriger Torwart. Nur, weil er um einen Hauch zu spät kam. Es war ein entscheidender Moment im Champions League-Finale. Vielleicht wird Jens Leh-nie wieder in so einem Endspiel stehen - und die Stippvisite von Paris niemals zu seinen bevorzugten Erinnerungen gehören.
Allerdings ist Lehmann deswegen kein schlechter Schlussmann geworden, und wenn jetzt Besserwisser meinen, eine erneute Diskussion um den deutschen WM-Pfostenpsten anzetteln zu müssen, ist das dummes Zeug. Dies zu zeigen liegt auch bei Lehmann selbst: Dass sie ihm seit dem misslungen Ausflug im Stade de France nun wieder besonders auf die Handschuhe schauen, muss er aushalten. Schlimmer als die Enttäuschung dürfte das aber auch nicht sein.
Um einen Schuldspruch kann es dabei nicht gehen. Es haben ihn mehrere hängen lassen. Der Schiedsrichter, der auch anders hätte entscheiden können, die Verteidiger, die ihr Arsenal nur unzureichend bewacht hatten und den Kollegen damit überhaupt erst in Verdrückung brachten.
Jens Lehmann wird sicher lernen, mit seinem Kurzauftritt zu leben. Wie die Alternative in dieser 18. Spielminute ausgesehen hätte, bleibt für immer Spekulation. Sie hätte zunächst darin bestanden, zwar mit Lehmann, jedoch auch mit einem 0:1-Rückstand weiter machen zu müssen. Es wäre wohl dem Eintauschen von Zahnschmerzen gegen Ziegenpeter gleichgekommen.

Artikel vom 19.05.2006